Zeitarbeit als Problem für die Pflege

10.04.2020

Zeitarbeit als Problem für die Pflege

Zeitarbeit in der Pflege ist ein Thema, das in letzter Zeit nicht nur viel diskutiert wird, sondern sogar den Gesetzgeber beschäftigen soll. Denn die Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) will dafür sorgen, dass Zeitarbeit in der Pflege künftig enorm eingeschränkt wird. Worum geht es dabei?

Zeitarbeit bedroht die Pflege

Das Problem, das vor allem für Pflegeheime diskutiert wird, aber auch die ambulante Pflege betrifft, ist ein Wechsel vieler Arbeitskräfte in die Zeitarbeit – verbunden mit hohen Kosten für die regulären Anbieter und letztlich die Krankenkassen.

Zeitarbeit ist eigentlich als „Notlösung“ gedacht: Wenn in einem Pflegeheim oder Pflegedienst plötzlich viele der Angestellten ausfallen oder es unvorhergesehen viel Bedarf gibt, kann eine Zeitarbeitsfirma aushelfen. In vielen Industriebetrieben funktioniert das so: Das Unternehmen „leiht“ sich die Zeitarbeiter, bezahlt der Zeitarbeitsfirma etwas mehr als ein normaler Angestellter bekommen würde, und bleibt flexibel. Die Mitarbeiter selbst, die über Zeitarbeit einspringen, bekommen manchmal wesentlich weniger und manchmal mehr als die Festangestellten – je nach Situation in der Branche.

In der Pflege wandern aber immer mehr Arbeitnehmer in die Zeitarbeitsfirmen. Dadurch entstehen (noch größere) Lücken in den Pflegeheimen und bei Pflegediensten. In ihrer Not müssen sie den Zeitarbeitsfirmen umso höhere Löhne für die „ausgeliehenen“ Arbeitnehmer zahlen – und den Forderungen der Zeitarbeiter/-innen zum Beispiel zu festen Schichten nachkommen. Das belastet die Kassen und den Zusammenhalt in Pflegeteams.

Klage der Politik und Pflegebranche: Zeitarbeit „zu attraktiv“

Eine große Klage: Die Arbeit in Zeitarbeitsfirmen sei „zu attraktiv“ für die Pflegekräfte. Denn hier profitieren sie nicht nur von einem oft wesentlich höheren Lohn (weit über 20 € pro Stunde gegenüber 14 € im Schnitt über alle Pflegekräfte), sondern können sich auch ihre Schichten frei aussuchen. Für sie gilt „frei heißt frei“, auch wenn die Stammbelegschaft das gleiche Recht nicht hat. Und sie profitieren von Fahrtkostenerstattung, Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Sonderzahlungen.

Das alles passiert natürlich zunächst auf Kosten der Stammbelegschaft: Wenn die „freien“ Mitarbeiter nur zu festen Zeiten arbeiten, werden die unattraktiveren Schichten und Last-Minute-Einsätze umso mehr unter der Stammbelegschaft verteilt. Wenn die Kosten für freie Mitarbeiter in die Höhe schießen (teilweise kosten sie fast das Doppelte eines normalen Mitarbeiters), ist kein Geld für Lohnerhöhungen oder schlicht ein dauerhaft größeres Kollegium da.

Verbot der Zeitarbeit als Lösung?

Die Politik schlägt nun das Verbot der Zeitarbeit als Lösung vor. Das klingt absurd angesichts der beschriebenen Unterschiede zwischen Zeitarbeit und normaler Arbeit: Was für Arbeitnehmer die Arbeit in der Pflege attraktiver macht, wird einfach verboten.

Und auch für Pflegedienste und Pflegeheime ist diese Lösung ein Pflaster auf der klaffenden Wunde. Einerseits brauchen sie weiterhin in Notfällen Zeitarbeitsfirmen – und die Notfälle werden nicht weniger, wenn der Mangel an Fachkräften nicht gedeckt wird. Und ja, das Ausbluten der Pflegedienste und Pflegeheime durch Zeitarbeitsfirmen könnte gebremst werden. Aber die Abwanderung aus der „sicheren Anstellung“ in die in anderen Branchen verhasste Zeitarbeit zeigt mal wieder, dass das größte Problem wie immer die Arbeitsbedingungen in der Pflege sind.

Attraktive Pflegejobs

Attraktive Pflegejobs – klar vereinbarte Schichtpläne, „frei heißt frei“ und andere Boni gibt es auch in „normalen“ Pflegediensten wie im Born Gesundheitsnetzwerk. Ähnlich gibt es Pflegeheime, die durchaus ähnliche Bedingungen wie Zeitarbeitsfirmen bieten können.

Aber, so fasst auch ein Artikel der Zeit online zusammen, tatsächlich ist ein Problem – auch durch die Akademisierung der Pflege – dass von den wenigen, die erfolgreich ihr Examen bestehen, umso weniger junge Pflegekräfte einen klassischen Job in der Pflege suchen. Wer kann bildet sich weiter, um Teams zu leiten oder in die Heimleitung zu gehen, weil erst hier der Job in der Pflege überall relativ gute Arbeitsbedingungen bedeutet.

Nur wenn Krankenkassen und Politik dauerhaft ausreichend Geld zur Verfügung stellen, in der Pflege angenehme Arbeitsbedingungen herzustellen, kann das „Problem Zeitarbeit“ gelöst werden.

Aktuell stehen Pflegedienste im Spagat zwischen Kostenverhandlungen mit den Krankenkassen und der Aufgabe, die Arbeitsbedingungen unabhängig vom fehlenden Geld schöner zu machen: Durch gute Organisation, feste Teams, Firmenfeiern oder einfach Zusammenhalt.