24.07.2020
Nachhaltige Pflege und Zukunft
Nachhaltigkeit ist seit fast zehn Jahren ein wichtiges Schlagwort gewesen, dass auch in der Pflege immer mal durch die Luft wabert. Was genau es bedeutet, ist aber nicht klar zu fassen. Manchmal wird der Begriff als neue Variante von Umweltfreundlichkeit benutzt, aber es geht im Kern um mehr – oder sollte es.
Wer heute in die Zukunft der Pflege blickt, hat vermutlich nicht die rosigsten Aussichten vor Augen. Wie viel tragen wir heute zu einem guten Morgen bei?
Was Nachhaltigkeit für die Pflege bedeutet oder bedeuten kann
Nachhaltigkeit im Bereich Pflege sollte bedeuten, dass das, was wir heute tun, unsere Arbeit in Zukunft zumindest nicht schwerer macht. Unsere Handlungen sollen nachhaltig, langfristig wirken. Idealerweise, indem sie positive Veränderungen bewirken.
Wer nachhaltiges Denken vernachlässigt, plant nur kurzfristig. Wer beispielsweise ein Haus hat und nur immer wieder Löcher im Dach flickt, statt es auszutauschen, sollte immer wieder Löcher erwarten – keine langfristige Verbesserung. Nachhaltig wäre eine Sanierung eines löchrigen Dachs.
An diesem einfachen Beispiel erkennt man auch sofort mehr Aspekte von relevanten Entscheidungen: Eine Sanierung kostet Geld – viel mehr als kurzfristige Reparaturen. Die Entsorgung von alten Materialien kann die Umwelt genauso belasten wie die Produktion von neuen. Es ist Arbeit nötig und vor allem durchdachte Planung.
Außerdem müssen viele Leute berücksichtigt werden: Wer finanziert die Sanierung, welche Gegenleistung gibt es dafür? Wer führt die Arbeiten durch, wie stark ist die Belastung? Wer wird von den Umbaumaßnahmen vielleicht gestört?
Ähnlich kann man über die Veränderungen in der Pflege nachdenken. Wen betreffen sie, wenn man weit genug denkt? Wer bezahlt – und was ist die „Gegenleistung“? Welche Auswirkungen haben Änderungen an der Pflege auf die Umwelt?
Wie Nachhaltigkeit in die Pflege kommen soll
Das Bundesministerium hat schon im letzten Jahr eine Agenda für mehr Nachhaltigkeit in Gesundheit und Pflege vorgelegt – das pdf kann sich jeder ansehen. Die Aspekte von Nachhaltigkeit, die hier betont werden, liegen vor allem im Bereich des „nachhaltigen Funktionierens“ der Pflege: Wie wird sie langfristig finanziell gesichert, wie entdecken wir Nachwuchs, wie wird die Digitalisierung integriert?
Umweltfreundliche Pflege im Sinne von Maßnahmen zur Ressourcenschonung geht dabei eher unter. Auch Nachhaltigkeit durch Fürsorge für Pflegekräfte heute und morgen wird im Plan nicht explizit erwähnt. Dabei können das wichtige Punkte sein, wenn man das Buzzword wirklich ernstnehmen möchte und Pflege und Gesundheitsversorgung heute so behandeln möchte, dass sie morgen noch steht.
Umwelteinflüsse und Pflege
Die Umwelteinflüsse von Handlungen und Gewohnheiten in der Pflege sind ein wichtiger Faktor vor dem Hintergrund der Fridays-For-Future-Proteste, die alle guten Gründe für Veränderungen schon präsentiert haben.
Umweltfreundliche Pflege – wie würde das aussehen? Viele Pflegeschritte verlassen sich auf Einwegprodukte: Handschuhe, Pflaster, Spritzen, Tablettenblister, … - all das wird aus hygienischen Gründen nur einmal verwendet. Daran zu rütteln und mehr Infektionen zu riskieren, ist sicher keine Lösung.
Hier sind auch eher Unternehmen in der Herstellung gefordert: Lassen sich nicht mehr Tabletten in weniger Verpackung unterbringen? Können Handschuhe sicher und biologisch abbaubar sein?
An anderen Stellen können aber auch Pflegedienste mitentscheiden: Auf der typischen Strecke in der Stadt können E-Autos für die nächste Kaufentscheidung bedacht werden. Statt ausgedruckter Protokolle helfen digitale Lösungen beim Papiersparen. Selbst die Routenplanung spielt nicht nur für den Stress im Arbeitsalltag, sondern auch die gefahrenen Kilometer in der Woche eine Rolle.
Nachhaltiges Denken über Pflege ist nicht leicht
Politische Entscheidungen werden oft davon gebremst, dass die nächste Wahl dringlicher scheint, als die Konsequenzen einer Entscheidung in 20 Jahren, wenn längst andere am Steuer sind.
Von diesem Problem dürfen alle anderen sich aber auch nicht frei machen: Viele von uns wissen, dass sie in 20 Jahren nicht mehr in der Pflege arbeiten, sondern vielleicht sogar selbst gepflegt werden. Worauf basieren also unsere „Forderungen“? Auf dem, was heute für uns als Pflegende und Fachkräfte gut wäre, oder auf dem, was in 20 Jahren für uns als Gepflegte das Beste ist?
Es hilft, sich zu überlegen, wo sich diese Forderungen überschneiden und wo sich Bedürfnisse widersprechen und mit Empathie auch über die Bedürfnisse von anderen nachzudenken.