Spahns Gesundheitsportal: Misserfolge eines Beispielprojekts

05.03.2021

Spahns Gesundheitsportal: Misserfolge eines Beispielprojekts

Jens Spahn hatte sich ein Projekt überlegt: Ein Gesundheitsportal des Bundesministeriums für Gesundheit als die Anlaufstelle für gesundheitliche Fragen im deutschen Internet. Ein Steckenpferd und ein Projekt, das zum Geldsparkurs passt: „Zuverlässige“ Informationen aus dem Internet sind günstiger als der Arztbesuch jedes einzelnen, um Symptome abklären zu lassen.

Offiziell soll das Portal schlicht eine Alternative zu anderen, bereits bestehenden Informationsportalen sein, die von privaten Unternehmen betrieben werden. So soll es durchschnittlichen Internetnutzern leichter fallen, die „richtige“ Antwort auf ihre Fragen zu finden oder die Information aus anderen Portalen richtig einordnen zu können.

Eine Qualitätsfrage

Natürlich steht hinter dem Portal gleich die Frage, ob Informationen des Bundesgesundheitsministeriums wirklich zuverlässiger richtig sind, als die anderer Anbieter. Oder „hilfreicher“.

Vergleicht man beispielsweise die dürftigen Informationen zu vielen Pflegethemen aus dem Pflegeportal der Bundesregierung mit den ausführlichen Ratgebern und Begleitinformationen anderer Anbieter, kann man sich nicht viel Hoffnung für das Gesundheitsportal machen. Zumal es für das Gesundheitsministerium beim Thema Pflege nur ums Erklären der eigenen Regeln geht – nicht um das Vermitteln von ursprünglich fremden Informationen.

Wie entscheidet sich bisher, welche Informationen Nutzern beispielsweise bei einer Google-Suche angezeigt werden?

Spahns gekippte Kooperation mit Google

Normalerweise werden bei Google die Ergebnisse weit oben angezeigt, die nach einem internen Algorithmus ausgewählt werden – also nach vielen verschiedenen Kriterien, deren Gewichtung nicht vollständig bekannt ist. Allgemein gilt: Ergebnisse, die inhaltlich gut zur Suche zu passen scheinen und die viele Leute besuchen, nutzen und empfehlen, ranken höher.

Jens Spahns geplanter „Google Deal“ sah etwas anderes vor: Google würde die vom Gesundheitsministerium zur Verfügung gestellten Daten automatisch als erste, bevorzugte Antwort zu bestimmten Anfragen präsentieren. So eine Position ergibt sich manchmal „automatisch“, weil Google bestimmte Informationen einerseits als besonders relevant einstuft und sich dadurch andererseits eine besonders hohe Zufriedenheit der Besucher erhofft.

In diesem Fall hatte Spahn aber vor, die Position bei Google per Vertrag zusichern zu lassen – oder auch nicht, denn wie üblich für Jens Spahn decken sich die Angaben vor und nach einer problematischen Diskussion nicht wirklich.

Weit über den eigenen Kompetenzbereich gegriffen

Es ist nicht die Aufgabe des Bundesgesundheitsministeriums per „Vereinbarung“ (irgendeiner Form) eine Platzierung von bestimmten Informationen durch ein privates Unternehmen zu erwirken. Google profitiert von Werbeanzeigen der Pharmabranche neben oder über den Ergebnissen, die durch eine Kooperation „vertrauenswürdiger“ wirken könnten.

Das ist ein bisschen, als wenn ein privater Fernsehsender mit dem Gesundheitsministerium vereinbaren würde, ab sofort eine „Gesundheitsinformationssendung“ auszustrahlen, für die das Ministerium unter Jens Spahn die Inhalte lieferte. Im Gegenzug profitiert der so unterstützte Sender von den Werbeeinnahmen aus Spots, die vor, während und nach der Sendung laufen.

Gleichzeitig behaupten Google und Spahn andererseits, dass die an gesonderter Stelle positionierten Informationen in einigen Fällen auch aus anderen Quellen stammen könnten – immer, wenn diese anderen Inhalte als höherwertig erkannt würden.

Stimmt das, gibt es keine Vereinbarung. Da es aber eine gibt (ohne dem kein Streitfall vor Gericht – Burda hatte geklagt, weil andere Gesundheitsinformationsportale benachteiligt würden), liegt hier eher wieder ein Fehltritt der „Digitalisierung“ im Sinne Spahns vor.

Viel Marketing, wenig Nutzen

Statt sich auf den Einsatz von Technologien für die Verbesserung von Pflege, Gesundheitsangeboten und Co zu konzentrieren, ging es mal wieder um ein Präsenz zeigen und Prestige aufbauen: Eine vergleichsweise billige Maßnahme hätte dafür gesorgt, dass das Bundesgesundheitsministerium täglich vielen tausend Leuten als „zuverlässige Informationsquelle“ vermittelt wird. Und das ohne, dass sich die Inhalte einem echten Wettbewerb ausgesetzt hätten.

Dieser Fehltritt ist so fundamental, dass sich nicht mal klar eingrenzen lässt, aus welcher Perspektive er eigentlich getroffen wurde. Eine Liberalisierung des Markts verbietet eigentlich einen entsprechenden Wettbewerbseinschnitt. Andererseits steht deutlich mal wieder das Kostensparen im Vordergrund: Ein Online-Angebot als Alternative zum Arztbesuch zu vermitteln, hält mehr Menschen davon ab, Kosten durch Gespräche mit Medizinern zu verursachen.

Die Digitalisierung wirklich anzunehmen, würde ein Verständnis der „Regeln“ des Internets und der Funktion von Suchmaschinen beinhalten – nicht den Versuch, sich durch Staatsmacht daran vorbeizubewegen.

Am Ende ist es wie mit vielen Projekten Spahns: Einer großen Ankündigung folgt die Absage durch andere, die sich mit den Gegebenheiten tatsächlich beschäftigt haben. Und unterwegs gab es vor allem für diejenigen Aufwand, die sich nur gegen Einschnitte wehren mussten. Das erinnert an die Vorstöße Spahns, die häusliche Intensivpflege abzuschaffen – spart Geld, lässt sich Unbeteiligten gut verkaufen und bedeutet einen Riesenaufwand für die Betroffenen, sich von den Vorstößen frei zu schaufeln.