Sci-Fi-Pflege: Lasst uns träumen

10.09.2021

Sci-Fi-Pflege: Lasst uns träumen

Im Blog haben wir uns in der Vergangenheit schon öfter mit der Zukunft der Pflege in Hinblick auf die Entwicklung von neuen Technologien beschäftigt. Werden Roboter in der Pflege in absehbarer Zeit mehr als Pillen-Lieferanten oder kleine Ablenkungen sein? Können Tablettenlieferungen aus der Online-Apotheke Fehldosierungen wirklich besser vermeiden als der Kontakt mit einem Apotheker, der „seine“ Kunden und Kundinnen kennt?

Diese Spekulationen sind spannend – und ganz nah dran. Denn es gibt ja Roboter, die in Pflegeheimen herumfahren oder Onlineapotheken. Heute wollen wir noch spekulativer sein: Was kann in der Pflege der Zukunft normal sein, das heute phantastisch klingt?

Inspiriert von Sci-Fi: Mehr Antriebe aufnehmen

Viele technologische Entwicklungen heute entstammen Sci-Fi-Romanen, Filmen oder Serien. Manchmal nehmen wir das gar nicht mehr wahr – wenn in alten Büchern „Luftfahrt“ vorkommt, muss man schon mal überlegen, ob das Werk nun damals rein fiktional war, oder realistische Einblicke in die Anfänge einer Technologie gab.

Wer sich beispielsweise alte Folgen von Star Trek ansieht, ist heute nicht mehr von den Kommunikationsgeräten beeindruckt, sondern eher frustriert, wie oft jemand NICHT erreichbar ist. Und wenn Captain Picard das Licht dimmen wollte, sagte er eben „Computer! Dimm das Licht!“ und nicht „Siri!“ oder „Google!“. Wir haben Tabletcomputer wie in Star Trek oder 2001 – Odyssee im Weltraum und unsere Autos werden schrittweise selbstfahrend wie KITT in Knight Rider.

Einen pessimistischen Blick auf Technologien, die wir heute nutzen, konnten wir schon früh in Büchern wie 1984 oder sogar Clockwork Orange werfen. Hier werden Überwachungsmöglichkeiten vorgestellt oder technologiebasierte Strafen für Verbrechen, die nicht rehabilitieren, sondern schlicht einschränken. Auch Minority Report erzählt eher von den Nachteilen eines voll überwachten Lebens – die Identifikation mit Foto der Iris, Handabdruck oder Chips wird aber üblicher.

Die meisten dieser Ansätze sind allerdings eher in der Welt von alltäglichen Gadgets, Wirtschaft oder beispielsweise Antriebstechnologie zu verorten. Einen interessanten Überblick bietet dieser englische Wikipedia-Artikel zur Technologie in Sci-Fi. Wie sieht es in der Medizin und Pflege aus?

Medizin und Pflege aus Sci-Fi, die heute schon existieren

Eine der einprägsamsten Szenen im Bereich Medizin und Sci-Fi gab es im vierten Star Trek Film „Zurück in die Gegenwart“. Hier läuft der Schiffsdoktor Pille durch ein Krankenhaus der 80er und kommentiert lakonisch, sarkastisch und teilweise schlicht entsetzt die „altertümlichen“ Methoden die damals angewandt wurden. So mokiert er beispielsweise Dialyse als mittelalterlich und behandelt eine Patientin kurzerhand so, dass ihr eine neue Niere wächst. Wie genau erklärt der Film leider nicht – aber der „Druck“ von Organen, die dann transplantiert werden können, ist ein erklärtes Ziel für einige Forschende der Gegenwart.

Unter anderem im recht modernen Sci-Fi Roman Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten von Becky Chamber werden „Nanoroboter“ beschrieben, die das Zähneputzen übernehmen – statt selbst etwas zu tun, gurgelt man mit den winzigen Helfern, die die Zähne reinigen oder kleine Schäden direkt reparieren. Das wäre auch für pflegebedürftige Menschen eine riesige Hilfe, die sich nicht selbst die Zähne putzen können. Schon heute arbeitet man an Nano-Robotern, die beispielsweise die Behandlung von Tumorzellen noch viel spezifischer und zielgerichteter als Strahlen- oder Chemotherapien liefern. Die Hilfe „im Alltag“ kommt dann vielleicht auch bald.

Futuristische Technologien: Davon träumen wir noch

Ein riesiges Feld der „medizinischen Sci-Fi“ beschäftigt sich nicht nur mit physischen, sondern vor allem auch psychischen Aspekten von Gesundheit. So viel vom Wohlbefinden eines Menschen hängt davon ab, wie sein mentales und emotionales Erleben aussieht. „Simulierte Realitäten“ können dabei helfen, Trauma zu verarbeiten oder Ängste zu bewältigen.

„Vergiss mein nicht!“ (eine traurige Übersetzung für den englischen Titel „Eternal sunshine of the spotless mind“ – Der ewige Sonnenschein des unbefleckten Geists) handelt von einem Mann, der sich traurige Erinnerungen entfernen lassen möchte, um nicht mehr darunter zu leiden. Im Film hat die radikale Entscheidung natürlich Folgen – in der Realität könnte man vielleicht zukünftig Einzelheiten in Erinnerungen „anpassen“. Dann MUSS sich ein Patient nicht mehr an Gewaltszenen erinnern, die ihn nicht schlafen lassen. Und diese Erinnerungen „heilen“ zu können, das wünscht man sich manchmal in der Pflege.

Schneller heilen – mehr Begleitung

Auch in Sci-Fi-Filmen oder -Serien wie Fringe können Menschen noch verletzt werden. Oft erfolgt die Heilung danach nur schneller. Und die Begleitung durch Profis ist bei dieser Heilung noch wichtiger. Denn wenn ein Knochen schnell zusammenwächst, kann er auch schnell falsch zusammenwachsen. So helfen Physiotherapeutinnen der Zukunft immer noch, die richtigen Bewegungen einzuüben. Und Pfleger versorgen Wunden, die schneller heilen, aber Patienten genauso belasten. Denn auch heute hilft der Hinweis, dass ein Problem im Mittelalter viel größer gewesen wäre wohl niemandem.

Auch neue Behandlungsmethoden und Mittel wären Aufgabe von Pflegekräften: Statt des klassischen Verbands könnten Sprays eingesetzt werden, die die Haut aktiv heilen – als würde man neue Haut „aufsprühen“. Das erfordert die Hand von Profis wie Pflegefachkräften, damit eine Wunde „schön“ heilt und sich keine unbeabsichtigten störenden Hautstücke bilden.

Auch bei der Gabe von noch mächtigeren Medikamenten ist eben gerade nicht weniger Begleitung durch Pflegekräfte angemessen. Was stärker wirkt, sollte auch besser beobachtet werden. Ob nun eine Injektion, die einen Tumor noch im ersten Stadium entdeckt und zersetzt, oder Tabletten, die hormonelles Ungleichgewicht wirklich individuell ausgleichen.

Individuellere Pflege und Medizin

Ein großer Aspekt von Medizin und Pflege heute gegenüber der in Sci-Fi oder auch nur Zukunftsträumen ist Individualität. Lange basierte Pflege auf Erfahrungswerten und statistischen Ergebnissen. Und während Mediziner und Medizinerinnen in einigen Bereichen schon heute lernen, dass es „solche und solche“ Fälle gibt, ist das in anderen anders.

Ein Beispiel aus der Gegenwart: Kodein wirkt hustenstillend, Morphin schmerzlindernd. Kodein wird wesentlich häufiger verordnet – denn trotz der Ähnlichkeit der Stoffe ähneln sich ihre „Gefahren“ nicht. Problematisch wird es, wenn Kodein in Morphin verstoffwechselt wird. „Im Normalfall“ ist das kein Problem. Denn der „Normalfall“ waren lange Männer – und die haben das notwendige Enzym meist nur in sehr geringer Menge. Einige Menschen – vor allem Frauen – haben aber viel vom „Umwandler“-Enzym. Bei ihnen wirkt Kodein ganz anders und muss ganz anders beobachtet und kontrolliert werden.

Sich diesen Unterschied – biologisch eher Mann oder Frau – zu merken, ist nicht schwer. Er lässt sich auch leicht in einem kurzen Aufnahmegespräch abfragen oder bei einer Untersuchung erkennen und so kann die Gefahr statistisch eingeschätzt werden.

In der Realität kommen aber sicher bei tausenden von Krankheiten und Behandlungen solche Unterscheidungen zusammen. Eine Frau mit Endometriose, die ihr zweites Kind erwartet, lebt in einem anderen Körper als ein Junge, der gerade die Ausbildung zum Dachdecker startet.

In der Zukunft können diese vielen, vielen Informationen zusammengetragen und verstanden werden. So wie Pflegekräfte heute in der Pflegeplanung festhalten, was im individuellen Fall von Bedeutung sein kann, würden sie das später vielleicht noch ausführlicher machen.

Damit wird der „soziale“ Aspekt von Pflege umso wichtiger: Patienten und Patientinnen begegnen, sie kennenlernen und erkennen, was im individuellen Fall wichtig sein könnte.