Pflegegrad Modul 5: Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

27.03.2020

Pflegegrad Modul 5: Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen

Der Pflegegrad einer pflegebedürftigen Person hängt von ihren Fähigkeiten und Bedürfnissen ab und wird aus verschiedenen Modulen errechnet. Im fünften Modul geht es um den Umgang mit Krankheiten oder Therapien.

Genau wie in den bisherigen Modulen 1-4 wird dabei die Selbstständigkeit im Umgang mit diesen Krankheiten oder Therapien beurteilt. Anders als in den bisherigen Modulen wird die Berechnung aber fast nur auf Basis der Häufigkeit durchgeführt, mit der eine Maßnahme notwendig ist. Dadurch ergibt sich eine etwas kompliziertere Berechnung als in den anderen Modulen.

Auch diesen Bereich veranschaulichen wir wieder am Beispiel von Frau Müller, deren Enkel mit einer Pflegekraft beim Termin mit dem medizinischen Dienst zugegen ist.

Die Beurteilung der Elemente ist in vier Bereiche geteilt. Diese Unterteilung übernehmen wir hier.

Beurteilung von Selbstständigkeit in Modul 5

Für die Elemente der Pflegebedürftigkeit in Modul 5 gilt (bis auf das letzte), dass die Häufigkeit von Maßnahmen angegeben wird. Dabei werden diese nur berücksichtigt, wenn sie tatsächlich regelmäßig stattfinden und die pflegebedürftige Person sie nicht selbstständig durchführen kann.

Wer beispielsweise eine chronische Wunde hat, die er nicht selbst versorgen kann, erhält hier Punkte. Wer akut eine Verletzung hat, die er selbst versorgen kann, erhält keine.

Zeitlich sollte eine Maßnahme auf voraussichtlich sechs Monate hin verordnet worden sein, um nicht als nur vorrübergehend zu gelten.

Bereich 1: Typischerweise tägliche Aufgaben

In diesen Bereich fallen die ersten sieben Aufgaben, die üblicherweise täglich anfallen. Sie werden insgesamt beurteilt, indem ein „durchschnittlicher Tageswert“ errechnet wird – wie viele Aufgaben also im Schnitt pro Tag anfallen.

Medikation

Viele Patienten müssen regelmäßig Medikamente einnehmen, Augen- oder Ohrentropfen verwenden, bekommen Zäpfchen oder Medikamentenpflaster.

Es gibt verschiedene Schritte, bei denen jemand selbstständig vorgehen oder auf Hilfe angewiesen sein kann:

· Bereitstellen von Medikamenten: Oft werden Medikamente beispielsweise einmal wöchentlich in Tabletten-Kassetten gefüllt, damit sie für jeden Tag und jede Uhrzeit bereitstehen.

· Erinnerung an Einnahme: Bei einigen Medikamenten genügt es, wenn eine andere Person auf die Medikamente hinweist und einen Patienten oder eine Patientin bittet, die Tabletten einzunehmen. Dabei kann eine Pflegekraft oder ein Angehöriger Kontrollfunktion haben, auch wenn er oder sie nicht aktiv eingreifen muss.

· Verabreichen der Medikamente: Wenn Medikamente aktiv durch jemand anderen verabreicht werden müssen (beispielsweise Ohrentropfen, Zäpfchen oder Pflaster), ist ein Patient nicht selbstständig in der Einnahme.

Wichtig: Wenn Medikamente verabreicht werden oder jemand die Einnahme beaufsichtigen muss, kann das Bereitstellen nicht gesondert gezählt werden.

Beispiel: Frau Müllers Enkel bereitet einmal wöchentlich die Tabletten vor, die sie über drei Termine am Tag verteilt einnehmen muss. Morgens erinnert er sie jeweils an die Einnahme, weil sie nach dem Aufstehen nicht ganz klar ist. Er bleibt vor Ort, um sie dabei zu beaufsichtigen. Nachmittags und abends nimmt sie die Tabletten selbstständig.
Das bedeutet, dass in diesem Bereich in der Woche 8 Aufgaben anfallen (7 Mal morgens, 1 Mal vorbereiten). Im Schnitt pro Tag also 1 1/7.

Injektionen

In diesem Bereich werden subkutane und intramuskuläre Injektionen sowie subkutane Transfusionen berücksichtigt. Das häufigste Beispiel sind Insulininjektionen bei Patienten mit Diabetes-Erkrankungen.

Beispiel: Frau Müller bekommt einmal wöchentlich eine Spritze vom Pflegedienst.
Das bedeutet, dass in diesem Bereich pro Woche 1 Aufgabe anfällt, im Schnitt also 1/7 pro Tag.

Versorgung intravenöser Zugänge (z. B. Port)

Die Versorgung eines Ports erfolgt meist durch einen Fachpflegedienst. Wichtig ist, alle nötigen Aktivitäten zu berücksichtigen, insbesondere auch solche zur Vermeidung von Verstopfungen oder ähnlichem.

Beispiel: Frau Müller wird nicht über einen Port versorgt.

Absaugen und Sauerstoffgabe

In diesem Bereich sind vor allem beatmete oder tracheotomierte Patienten betroffen, die 24 Stunden am Tag oder auch nur über Nacht beatmet werden. Auch das An- und Absetzen von Atemmasken oder -brillen zählt hinzu. Jede Aktivität durch eine andere Person muss gezählt werden, wobei der Durchschnitt über besonders anspruchsvolle und eher ruhige Wochen gebildet werden sollte.

Beispiel: Frau Müller wird nicht beatmet.

Einreibungen oder Kälte- und Wärmeanwendungen

In diesem Bereich werden alle Maßnahmen beurteilt, die von einem Arzt verordnet wurden: Salben, Cremes oder Emulsionen sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, die beispielsweise bei Rheuma helfen sollen. Die Cremes können aber auch „nur“ gegen trockene Haut verordnet worden sein.

Beispiel: Frau Müller und ihr Enkel haben diesen Punkt selbst gar nicht bedacht. Die Mitarbeiterin vom Pflegedienst wirft aber ein, dass der Enkel morgens beim Eincremen von Rücken und Hals mit einer vom Hautarzt verschriebenen Creme gegen trockene Haut hilft. Der Pflegedienst übernimmt das Eincremen mit einer speziellen Wärmesalbe an drei Tagen in der Woche.
Insgesamt sind also 10 Einsätze pro Woche nötig (7 morgens durch den Enkel, 3 durch den Pflegedienst). Das sind im Schnitt 1 3/7 pro Woche.

Messung und Deutung von Körperzuständen

In diesem Bereich geht es um die Messung von bestimmten Körperwerten und eine angemessene Reaktion darauf. Ein häufiges Beispiel für eine oft selbstständig durchgeführte Handlung ist die Messung von Blutzuckerwerten und die Anpassung der Insulindosis für den Tag.

Weitere Beispiele sind Blutdruck, Puls, Temperatur, Körpergewicht oder Flüssigkeitshaushalt, wenn ein Arzt die Messung zur Beurteilung einer Erkrankung anordnet.

Beispiel: Frau Müller muss keine Körperwerte besonders nachverfolgen. Sie misst zwar gelegentlich ihren Blutdruck, wenn sie sich unwohl fühlt, hat dafür aber keine Verordnung vom Arzt.

Körpernahe Hilfsmittel

Hierbei geht es um das An- und Ablegen von Prothesen oder Orthesen, kieferorthopädischen Apparaturen aber auch „einfachen“ Hilfsmitteln wie Brille, Hörgerät oder Kompressionsstrümpfen. Mit gezählt wird auch die Reinigung dieser Hilfsmittel – also das tägliche Säubern von Brillengläsern beispielsweise.

Beispiel: Frau Müller muss zwar immer mal wieder daran erinnert werden, ihre Brille zu säubern, aber ist sonst im Umgang damit selbstständig. Sie hat keine anderen Prothesen oder Orthesen.

Zu Bereich 1 insgesamt

Insgesamt benötigt Frau Müller in verschiedenen Bereichen täglich Hilfe. Aufaddiert insgesamt 2 5/7 mal am Tag. Anhand einer Tabelle wird die Häufigkeit in Punkte umgerechnet:

· Weniger als 1 gibt 0 Punkte

· 1 bis weniger als 3 gibt 1 Punkt

· 3 bis weniger als 8 gibt 2 Punkte

· Mindestens 8 Hilfestellungen werden in 3 Punkte übersetzt.

Frau Müller bekommt also 1 Punkt.

Auch wenn das Rechnen mit „Siebteln“ hier unnötig kompliziert scheint, kann es sich oft lohnen: Wenn jemand dreimal in der Woche eine bestimmte Injektion erhält und viermal in der Woche Hilfe beim Eincremen, sind diese 3/7 und 4/7 zusammen ein Punkt.

Bereich 2: Wöchentliche Aufgaben

In diesen Bereich fallen Aufgaben, die üblicherweise wöchentlich anfallen. Sie werden ähnlich wie die „täglichen“ Aufgaben zusammengezählt zu einem „typischen“ wöchentlichen Aufwand. Wichtig ist dabei die Annahme, dass ein Monat 4 Wochen hat – ein monatlicher Termin zählt also ¼ pro Woche.

Verbandswechsel und Wundversorgung

Hier fällt die Versorgung von chronischen Wunden herein. Wie bereits zu Beginn erwähnt, „zählen“ akute Verletzungen nicht, wenn sie nicht voraussichtlich über mehr als sechs Monate versorgt werden müssen.

Beispiel: Frau Müller hat keine chronischen Wunden, die versorgt werden müssen.

Versorgung mit Stoma

Die Pflege künstlicher Körperöffnungen wird unter diesem Punkt zusammengefasst. Dabei ist wichtig zu beachten, dass die einzelnen Schritte einzeln gewichtet werden: Reinigen eines Katheters, ein eventuell notwendiger Verbandswechsel, die Desinfektion der Einstichstelle und so weiter. (Wichtig: Das Wechseln eines Stoma- oder Katheterbeutels wurde bereits in Modul 4 abgedeckt!)

Beispiel: Frau Müller wird nicht über ein Stoma versorgt.

Regelmäßige Einmalkathetisierung und Nutzung von Abführmethoden

Unter diesem Punkt werden die Einmalkathetisierung (zum Beispiel bei Blasenentleerungsstörungen) und die Nutzung von Abführmethoden (Klistier, Einlauf, …) zusammengefasst.

Beispiel: Bei Frau Müller sind diese Maßnahmen nicht nötig.

Therapiemaßnahmen in häuslicher Umgebung

Wenn jemand regelmäßig zum Orthopäden, Logopäden oder einem anderen Therapeuten geht, bekommt er oft „Hausaufgaben“. Beispielsweise Übungen, die die Erfolge der Therapie unterstützen sollen.

Wenn diese Übungen nicht vom Patienten oder der Patientin allein durchgeführt werden können, sondern die Unterstützung einer anderen Person nötig ist, werden sie hier aufgeführt.

Beispiel: Frau Müller muss keine wöchentlichen Übungen durchführen.

Zum zweiten Bereich insgesamt

Hier ist die Auswertung im Beispiel sehr einfach – Frau Müller hat keine wöchentlichen „Termine“ und bekommt daher null Punkte. Allgemein gilt:

· Kein bis seltener als einmal wöchentlicher Aufwand: 0 Punkte

· Ein bis mehrmals wöchentlich: 1 Punkt

· Ein bis zweimal täglich: 2 Punkte

· Mindestens dreimal täglich: 3 Punkte

Bereich drei: Arzt- und Therapiebesuche und technikintensive Versorgung zu Hause

In diesem Bereich werden Besuche bei Ärzten und Therapeuten berücksichtigt. Außerdem fällt in diesen Bereich die „zeit- und technikintensive Versorgung“ zu Hause – also vor allem die invasive künstliche Beatmung.

Zeit- und technikintensive Maßnahmen in häuslicher Umgebung

Hierbei ist vor allem die invasive künstliche Beatmung gemeint, die täglich und rund um die Uhr erfolgen muss. Für diese „täglich“ notwendigen Maßnahmen kann gesondert ein Punktwert von 60 vermerkt werden. Andere Maßnahmen kommen aus Bereichen wie Hämodialyse oder Beatmung, die beaufsichtigt werden.

Monatliche Termine werden mit 2, wöchentliche Termine mit 8,6 Punkten gewichtet.

Beispiel: Frau Müller erhält keine Behandlung dieser Art.

Arztbesuche

In diese Kategorie fallen alle Arztbesuche bei niedergelassenen Haus- oder Fachärzten. Eine Unterstützung durch eine andere Person oder eine Pflegekraft ist dabei für gewöhnlich auf dem Weg oder als Begleitperson in der Praxis nötig. Beispielsweise schlicht als „Fahrdienst“ oder auch, weil jemand sich allein die Anweisungen eines Arztes nicht merken oder seine Fragen nicht beantworten kann.

Wenn der Besuch bei einem (weit entfernten) Facharzt inklusive Anfahrtszeiten regelmäßig mehr als drei Stunden dauert, fällt dieser unter den letzten Punkt in diesem Bereich! Sonst gilt: Monatliche Besuche bedeuten 1 Punkt, wöchentliche 4,3.

Beispiel: Frau Müller ist etwa einmal im Monat beim Hausarzt. Ihr Enkel begleitet sie dabei jeweils. Der Weg ist mit 15 Minuten recht kurz und die Wartezeit ist meist begrenzt, sodass sie insgesamt etwa 2 Stunden für den Arztbesuch einplanen. Ihren Augenarzt und andere Ärzte besucht Frau Müller seltener.
Sie erhält 1 Punkt.

Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (bis zu drei Stunden)

Hier werden Besuche bei anderen therapeutischen oder medizinischen Experten eingeordnet – beispielsweise Termine bei Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Krankengymnasten. Aber auch Logopäden und Psychotherapeuten sowie der Besuch in Krankenhäusern zur ambulanten Behandlung oder Überprüfung von bestehenden Erkrankungen.

Auch hier gilt: Wenn die Besuche insgesamt mehr als drei Stunden in Anspruch nehmen, werden sie unter dem letzten Punkt gewichtet. Sonst werden auch hier monatliche Termine mit 1 und wöchentliche Termine mit 4,3 Punkten gewichtet.

Beispiel: Frau Müller hat zwar immer mal wieder „Physiotherapie verschrieben bekommen“, aber nie regelmäßig. Sie besucht keine medizinischen Einrichtungen regelmäßig.

Zeitlich ausgedehnte Besuche anderer medizinischer oder therapeutischer Einrichtungen (länger als drei Stunden)

Lange Besuche beim Arzt oder anderen medizinischen Einrichtungen werden stärker gewichtet: Monatliche Termine werden mit 2, wöchentliche Termine mit 8,6 Punkten gewichtet.

Beispiel: Frau Müller hat auch keine lang andauernden regelmäßigen Termine.

Zusammenfassung für den dritten Bereich

Frau Müller hat in diesem Bereich nur 1 Punkt gesammelt – daher fließt der Bereich mit 0 Punkten ins Modul ein. Allgemein gilt:

· < 4,3 Punkte: 0 Punkte

· 4,3-8,5 Punkte: 1 Punkt

· 8,6 – 12,9 Punkte: 2 Punkte

· 12,9 – 59,9 Punkte: 3 Punkte

· Ab 60 Punkte: 6 Punkte

Bereich 4: Einhaltung einer Diät und anderer krankheits- oder therapiebedingter Verhaltensvorschriften

Im vierten Bereich ist ein einziges Kriterium enthalten, das nach der bekannten Skala der Selbstständigkeit bewertet wird. Es geht darum, ob jemand die Vorschriften von Ärzten zu seinem Verhalten einhalten kann. Dazu gehören insbesondere Vorschriften zum Essen (Art, Menge) oder zu ergänzenden Maßnahmen wie einer Sauerstofftherapie.

Bewertet wird, wie viel Unterstützung/Intervention durch andere notwendig ist, damit die Vorgaben eingehalten werden:

· Wenn jemand keine Vorgaben vom Arzt hat, entfällt der Bereich [0 Punkte]

· Wenn jemand selbstständig und ohne fremde Hilfe die Vorschriften einhält, gibt es null Punkte. Das gilt auch, wenn die Person beispielsweise Hilfe beim Essen allgemein braucht – aber eben keine Intervention nötig ist, um sie von falschem Essen abzuhalten oder vom „guten“ Essen zu überzeugen.

· Wenn jemand gelegentlich Unterstützung oder Intervention benötigt, bekommt er 1 Punkt.

· Wer meistens Anleitung oder Beaufsichtigung beziehungsweise Intervention benötigt, um die Verhaltensregeln einzuhalten, bekommt 2 Punkte.

· Wer immer Anleitung, Beaufsichtigung oder Intervention benötigt, bekommt 3 Punkte.

Beispiel: Frau Müller hat keine Verhaltensvorschriften, also entfällt der Punkt.

Auswertung des Moduls

Die Punkte im Modul werden einfach addiert – also jeweils die Auswertung in den entsprechenden Bereichen.

· 0 Punkte entsprechen 0 Punkten fürs Modul

· 1 Punkt entspricht 5 Punkten fürs Modul

· 2 bis 3 Punkte entsprechen 10 Punkten fürs Modul

· 4 bis 5 Punkte entsprechen 15 Punkten fürs Modul

· 6 bis 15 Punkte entsprechen 20 Punkten fürs Modul

Beispiel: Im Bereich 1 hat Frau Müller 1 Punkt erhalten. In Bereich 2 0 Punkte. In Bereich 3 0 Punkte und in Bereich 4 ebenfalls 0 Punkte.

Insgesamt hat Frau Müller im Modul 1 Punkt, also werden für das Modul 5 Punkte notiert.