Pflegegrad Modul 4: Selbstversorgung

21.02.2020

Pflegegrad Modul 4: Selbstversorgung

Welchen Pflegegrad jemand bekommt, wird vom medizinischen Dienst anhand von verschiedenen Kriterien in mehren Modulen beurteilt. Im vierten Modul geht es um die Fähigkeit der Selbstversorgung.

Dabei geht es stark auch darum, ob jemand sich selbst körperlich versorgen kann oder Unterstützung bei Aufgaben benötigt, die sonst größtenteils in den Bereich der Grundpflege fallen. Außerdem werden hier „Besondere Bedarfsaspekte“ – Ernährung, Blasenkontrolle, Darmkontrolle – erfasst.

Die übrigen Kriterien werden wie im Modul 1 zwischen selbstständig und unselbstständig bewertet:

· Selbstständig bedeutet, dass die Person ohne Hilfe von anderen Personen in diesem Bereich auskommt.

· Überwiegend selbstständig bedeutet, dass kleine Unterstützung durch andere – zum Beispiel Bereitlegen von Hilfsmitteln oder bei einzelnen Schritten – nötig ist.

· Überwiegend unselbstständig bedeutet, dass jemand nur kleine Teile der Aufgabe selbst durchführen kann. Dazu gehört auch, dass jemand eine Handlung beispielsweise anfangen kann, aber dann vergisst zu Ende zu führen (oder zu müde wird).

· Unselbstständig bedeutet, dass jemand sich nicht oder nur minimal an den Aktivitäten beteiligen kann.

Die Punkte in diesem Bereich unterscheiden sich stärker: In den meisten Teilen des Moduls gibt es 0, 1, 2 oder 3 Punkte für die verschiedenen Kategorien. Einige werden aber stärker gewichtet.

Auch diesen Bereich veranschaulichen wir wieder am Beispiel von Frau Müller, deren Enkel mit einer Pflegekraft beim Termin mit dem medizinischen Dienst zugegen ist.

Besonderer Bedarf

Die Angaben in diesem Bereich werden gesondert behandelt: Sie beeinflussen die Punkte für das Modul in einem zweiten Schritt. Beispielsweise kann jemand inkontinent sein, aber mit dieser Einschränkung vollständig selbstständig umgehen und dann 0 Punkte bekommen.

Ernährungssonde

Wenn jemand nicht normal isst, sondern über eine Sonde oder parenteral (zum Beispiel über einen Port, PEG, PEJ, …) ernährt wird, besteht in diesem Bereich besonderer Bedarf. Wichtig ist auch, dass notiert wird, ob die Ernährung über eine Pumpe, Schwerkraft oder als Bolusgabe funktioniert.

Für die Punktvergabe gilt: Wer täglich nahezu ausschließlich so ernährt wird, bekommt in diesem Bereich 3 Punkte. Wer zusätzlich zur Ernährung über eine Sonde oder parenteral versorgt wird, bekommt 6 Punkte.

Beispiel: Frau Müller wird nicht über eine Sonde oder parenteral versorgt, also gibt es 0 Punkte.

Harnkontinenz/Blasenkontrolle und Darmkontrolle/Stuhlkontinenz

Gemeint ist jeweils die Fähigkeit, rechtzeitig den Harndruck oder Stuhldrang zu spüren und zu kommunizieren, sodass die Blase oder der Darm gezielt auf der Toilette entleert werden kann.

Alternativ muss angegeben werden, ob/dass ein suprapubischer oder transurethraler Dauerkatheter oder Urostoma vorhanden ist (Harninkontinenz) oder ein Colo-, Ileostoma (Darminkontinenz).

Die Bewertung ergibt sich dann aus dem Umgang mit der Inkontinenz oder den Hilfsmitteln:

· Wer die Folgen der Inkontinenz oder den Umgang mit Kathetern und Hilfsmitteln selbstständig beherrscht, erhält 0 Punkte.

· Wer nur geringe Unterstützung braucht (beispielsweise das Bereitstellen oder -legen von Hilfsmitteln) ist in diesem Bereich überwiegend selbstständig und erhält 1 Punkt.

· Wer wenig helfen kann (beispielsweise Hilfsmittel nur entfernen, aber nicht anlegen kann), ist überwiegend unselbstständig und bekommt 2 Punkte.

· Wer gar nicht selbst mit den Folgen der Inkontinenz umgehen oder beim Wechsel von Hilfsmitteln helfen kann, gilt als unselbstständig und bekommt 3 Punkte.

Beispiel: Frau Müller benutzt Einlagen, um gelegentliche „Tröpfchen“ aufzufangen. Diese Einlagen benutzt sie selbstständig und wechselt sie in angemessenen Abständen. Sonst hat sie hier keine Einschränkungen. Daher erhält sie 0 Punkte.

Selbstversorgung 1: Waschen des vorderen Oberkörpers

In diesem Bereich wird das Waschen und Abtrocknen von Händen, Gesicht, Hals, Armen, Achselhöhlen und Brust beurteilt. Das kann an einem Waschbecken oder auch an anderer Stelle sitzend mit Hilfe eines Wasserbassins und Waschlappens passieren.

0. Wer sich selbstständig, also ohne Hilfe anderer waschen kann, erhält 0 Punkte.

1. Wer kleine Unterstützung braucht – beispielsweise das Bereitstellen von Seife und Waschlappen, das Einlassen von Wasser mit geeigneter Temperatur, Hilfe bei schwerer erreichbaren Stellen in den Achseln oder auf der Brust -, sich aber größtenteils selbst wäscht, ist größtenteils selbstständig.

2. Wenn mehr Hilfe nötig ist und die Person selbst nur unterstützend mithelfen kann, ist sie größtenteils unselbstständig.

3. Unselbstständig ist, wer selbst nicht mithelfen kann und Unterstützung bei allen Schritten benötigt.

Beispiel: Frau Müller kann sich selbstständig am Waschbecken waschen. Bei der größeren Wäsche hilft der Pflegedienst so regelmäßig, dass kleine Ungenauigkeiten nicht stören. Sie wird als selbstständig beurteilt.

Selbstversorgung 2: Körperpflege im Bereich des Kopfes

Die Körperpflege im Bereich des Kopfes umfasst Kämmen, Zahnpflege bzw. Prothesenreinigung und Rasieren.

0. Wer selbstständig ist, kann diese Aufgaben ohne Hilfe von anderen erfüllen.

1. Überwiegend selbstständig ist, wer mit kleinen Hilfen – zum Beispiel Bereitlegen von Zahnbürste und Zahnpasta oder einer Erinnerung an die Abläufe – selbst dazu in der Lage ist, die Aufgaben durchzuführen. Das gilt auch, wenn noch kleine Nachkorrekturen nötig sind.

2. Überwiegend unselbstständig ist, wer Hilfe benötigt und allein nur kleine Teile übernimmt. Entweder, weil er oder sie eine Aufgabe gar nicht mehr erfüllen kann, oder beispielsweise früh abbricht.

3. Unselbstständig ist jemand, der bei diesen Aufgaben gar nicht mitwirken kann.

Beispiel: Frau Müller übernimmt die Pflege ihres Kopfes in den meisten Bereichen selbst. Sie kann sich aber durch Ermüdung ihrer Arme nicht mehr selbst die Haare am Hinterkopf gründlich kämmen. Ihr Enkel hilft dabei. Sie ist überwiegend selbstständig.

Selbstversorgung 3: Waschen des Intimbereichs

In diesem Bereich ist das Waschen und Abtrocknen des Intimbereichs gemeint. Bei jüngeren Patientinnen sollte man sich hier nicht schämen, auch Besonderheiten während der Menstruation zu erwähnen, weil Blut ungewöhnlich aufwändiges Waschen nötig macht.

0. Beim Waschen und Abtrocknen ist keine Hilfe nötig – die Person ist selbstständig.

1. Überwiegend selbstständig ist jemand, der nur Anleitung oder das Bereitlegen von Hilfsmitteln wie Waschlappen oder Seife oder punktuelle Hilfe benötigt.

2. Überwiegend unselbstständig ist jemand, der selbst nur beim Waschen oder Abtrocknen helfen kann.

3. Unselbständig ist jemand, der gar nicht oder nur minimal helfen kann.

Unser Beispiel: Frau Müller kann sich im Alltag größtenteils selbstständig waschen. Auch hier verlässt sie sich teilweise auf die Hilfe beim Duschen und Baden. Sie gilt aber zunächst als selbstständig.

Selbstversorgung 4: Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare

Dieser Bereich umfasst nicht nur das Duschen oder Baden selbst, sondern auch Hilfe beim Einsteigen in die Wanne, beim Aussteigen oder zur Unterstützung bei der Stabilität in der Wanne oder in der Dusche. Außerdem gehört das Haarewaschen und -föhnen mit zum Punkt.

0. Wer sich ohne Hilfe duschen oder baden kann, gilt als selbstständig.

1. Überwiegend selbstständig ist jemand, der kleine Unterstützung oder Aufsicht benötigt, weil er oder sie häufiger ausrutscht oder hinfällt. Auch wenn bereits Hilfsmittel vorhanden sind wie ein Badewannenlift, gilt die Hilfe beim Bedienen dieses Lifts als Unterstützung.

2. Überwiegend unselbstständig ist jemand, der beim Duschen oder Baden helfen kann und einzelne Aufgaben selbst übernimmt, aber viel Unterstützung braucht.

3. Unselbstständig ist jemand, der selbst nur wenig tun oder helfen kann.

Beispiel: Frau Müller geht nicht alleine duschen. Sie kann in ihre Badewanne nur mit Hilfe einsteigen und hält sich am Griff an der Wand fest. Das Waschen ihres Oberkörpers und Intimbereichs kann sie auch hierbei größtenteils selbst übernehmen, sie benötigt aber Hilfe an einigen Stellen. Außerdem kann sie sich nicht mehr selbst ihre Haare ganz waschen. Zum Föhnen benutzt sie eine Föhnhaube, die eine Pflegekraft ihr aufsetzt und abnimmt. Sie ist überwiegend unselbstständig.

Selbstversorgung 5: An- und Auskleiden des Oberkörpers

In diesem Bereich wird nicht beurteilt, ob jemand die richtige Kleidung auswählen kann (das war bereits Teil von Modul 2), sondern ob er oder sie sie an- und ausziehen kann. Dazu gehören: Unterhemd, BH, T-Shirt, Hemd, Bluse, Pullover, Jacke, Schlafanzugoberteil oder Nachthemd oder andere Oberteile. Wichtig ist nicht, ob eine Person diese Kleidung aktuell trägt oder das – zum Beispiel, weil es schwierig ist – nicht tut.

0. Selbstständig ist, wer sich ohne Hilfe anderer an- und ausziehen kann.

1. Überwiegend selbstständig ist jemand auch dann, wenn er Unterstützung beim „letzten Teil“ braucht – das Richten der Kleidung oder das Schließen eines Verschlusses beispielsweise. Auch verbale Aufforderungen oder Erinnerungen zählen als Unterstützung.

2. Wer nur ein wenig helfen kann – beispielweise die Arme in ein bereitgehaltenes Oberteil stecken oder anheben – ist überwiegend unselbstständig.

3. Wer unselbstständig ist, kann gar nicht oder kaum beim An- und Auskleiden helfen.

Beispiel: Frau Müller kann sich meist allein anziehen. Sie trägt aber schon seit einiger Zeit nur dann einen BH, wenn sie weiß, dass auch abends noch jemand da sein wird, der ihr beim Ausziehen hilft. Gelegentlich vergisst sie, Knöpfe zu schließen oder verzichtet darauf, weil sie zu lange daran herumnesteln muss. Sie ist überwiegend selbstständig.

Selbstversorgung 6: An- und Auskleiden des Unterkörpers

Hier geht es um das An- und Ausziehen von Unterwäsche, Hose, Rock, Strümpfen und Schuhen. Bei der Unterstützung ist wieder die personelle Hilfe, nicht die Benutzung von Hilfsmitteln wie Schuhanziehern zu berücksichtigen.

0. Selbstständig ist, wer sich ohne Hilfe an- und ausziehen kann.

1. Überwiegend selbstständig ist, wer kleine Hilfen braucht. Auch hier zählen auch das Verschließen von Knöpfen oder das Binden von Schnürsenkeln als Hilfen. Ebenso auch die Anleitung durch Erinnerungen an einzelne Schritte.

2. Wer eine Hose oder einen Rock hochziehen, aber selbst nicht einsteigen kann, ist größtenteils unselbstständig.

3. Wer gar keinen Schritt selbst übernehmen kann, gilt als unselbstständig.

Beispiel: Frau Müller hat größere Schwierigkeiten mit Schuhen und Socken und müht sich auch eher ab, in Hosen einzusteigen. Strumpfhosen kann sie mithilfe eines Hilfsmittels anziehen. Sie trägt mit Vorliebe Röcke, die sie auch im Sitzen zunächst über ihren Kopf ziehen kann, und Hausschuhe, die sie nicht zubinden muss. Sie ist überwiegend selbstständig.

Selbstversorgung 7: Mundgerechtes Zubereiten von Nahrung und Eingießen von Getränken

Hierbei geht es darum, Speisen wie Brote oder auch Hauptmahlzeiten mundgerecht, also in kleine Stücke zu zerteilen. Außerdem darum, Getränke aus einer Flasche oder Kanne einzugießen, ohne viel zu verschütten. Auch das Bedienen von üblichen Verschlüssen von Getränkeflaschen (notfalls mit Hilfsmitteln) gehört dazu.

0. Wer selbstständig ist, kann Essen selbst in mundgerechte Stücke zerteilen, Flaschen öffnen und Getränke eingießen.

1. Wer überwiegend selbstständig ist, braucht Unterstützung in einigen Bereichen. Beispielsweise gelingt das Essen von Obst und Öffnen von Milchkartons oder gelockerten Getränkeflaschen. Die Person benötigt aber Hilfe beim Schneiden von „hartem“ Brot oder dem erstmaligen Öffnen von Flaschen.

2. Überwiegend unselbstständig ist jemand, der die Fähigkeiten noch rudimentär hat, aber nicht mehr wirklich Essen und Getränke servieren kann. Beispielsweise, weil Getränke beim Eingießen oft verschüttet werden oder das Schneiden von Lebensmitteln nicht in sinnvolle Größen gelingt oder beispielsweise die Kraftsteuerung beim Zerdrücken von Kartoffeln oder aufspießen von Gemüse nicht ausreicht.

3. Unselbstständig ist, wer sein Essen selbst nicht vorbereiten kann.

Beispiel: Frau Müller kann selbstständig Essen für sich zubereiten. Sie vergisst oder kleckert beim Kochen mehr als früher, aber meistens gelingt die Zubereitung ohne Einschränkungen. Sie kann Getränkeflaschen nicht selbst erstmalig öffnen, aber gelockerte Verschlüsse aufdrehen. Diese kleine Unterstützung lässt sie immer noch selbstständig sein.

Selbstversorgung 8: Essen

Beim Essen geht es nach dem letzten Schritt um das Essen von mundgerecht zubereiteter Nahrung, für deren Aufnahme nur noch die Finger, ein Löffel oder eine Gabel verwendet werden. Auch sinnvolle Mengen sind hier wichtig – die Person sollte weder vergessen zu essen, noch ständig essen müssen.

0. Selbstständig ist, wer alles selbstständig essen kann – auch „schwieriges“ Essen wie Erbsen oder eine Suppe, die gelöffelt im Mund landen muss.

3. Überwiegend selbstständig ist jemand, der punktuelle Anleitung benötigt oder punktuelle Hilfen benötigt, weil zwischendurch beispielsweise Besteck aus der Hand rutscht oder die Konzentration abgleitet.

6. Überwiegend unselbstständig ist eine Person, die ständige Begleitung und Anleitung beim Essen braucht oder sich häufig verschluckt und dadurch wegen Aspirationsgefahr ständig bewacht werden muss.

9. Unselbstständig ist jemand, der (fast) gar nicht selbst essen kann.

Beispiel: Frau Müller benötigt keine Hilfe beim Essen. Sie mischt Essen gern und zerdrückt beispielsweise Erbsen, um sie besser essen zu können. Sonst hat sie aber keine Einschränkungen. Sie ist selbstständig.

Selbstversorgung 9: Trinken

In diesem Bereich ist bei der Beurteilung noch bedeutender, ob die Person selbstständig daran denkt, ausreichend zu trinken – auch wenn sie keinen Durst verspürt.

0. Selbstständig ist eine Person, die von allein ausreichend trinkt und aus einem Glas oder Becher trinken kann.

2. Wer überwiegend selbstständig ist, kann trinken, wenn ein Glas oder eine Tasse erreichbar sind. Die Person denkt auch von allein daran, genug zu trinken, oder muss nur gelegentlich allgemein erinnert werden.

4. Eine überwiegend unselbstständige Person kann trinken, wenn das Trinkgefäß gereicht wird und eine Pflegekraft oder andere Person zusieht und aufpasst, um Verschlucken zu vermeiden. Sie denkt nicht selbstständig daran, ausreichend zu trinken und muss zu einzelnen Schlucken ermutigt werden.

6. Jemand der unselbstständig ist, muss Getränke (fast) immer gereicht bekommen.

Beispiel: Frau Müller benötigt keine Hilfe beim Trinken. Ihr Enkel und die Pflegekraft erinnern sie zwar oft daran, mehr zu trinken. Sie war aber nie akut unterversorgt. Sie ist selbstständig in diesem Bereich.

Selbstversorgung 10: Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls

Hier wird beurteilt, ob eine Person eine Toilette oder einen Toilettenstuhl oder alternativ Hilfsmittel wie Inkontinenzmaterial oder Inkontinenzmaterial, Katheter, Urostoma, Ileo- oder Colostoma eingesetzt werden können.

0. Selbstständig ist jemand, der den gesamten Prozess ohne Hilfe von anderen erledigen kann.

2. Überwiegend selbstständig ist jemand, der Unterstützung benötigt – bei einzelnen Schritten oder der Vor- und Nachbereitung.

4. Dagegen ist jemand überwiegend unselbstständig, der nur einzelne Schritte selbst erledigen kann.

6. Unselbstständig ist jemand, der ohne Unterstützung (fast) keinen der Schritte erledigen kann.

Beispiel: Frau Müller ist auch hier selbstständig.

Zu unserem Beispiel

Insgesamt hat Frau Müller in Modul 4 insgesamt 5 Punkte „gesammelt“. Das entspricht geringen Einschränkungen und einer gewichteten Punktzahl von 10 Punkten für die Gesamtbewertung.