Pflege in der Vergangenheit: Frühzeit der Pflege – Frühzeit der Menschheit?

12.11.2021

Pflege in der Vergangenheit: Frühzeit der Pflege – Frühzeit der Menschheit?

Liest man sich in eine Geschichte der Pflege ein, wird oft nur kurz die sogenannte Frühzeit erwähnt – die ersten Anfänge des menschlichen Zusammenlebens. Man liest, dass Pflege und Krankenfürsorge früh Teil der Menschheit waren, aber die Rollenverteilung naturgemäß heute nicht mehr klar ist. Dabei steckt hier ein Kern von Pflege versteckt: Dass das „Kümmern“ um diejenigen, die allein nicht zurechtkommen, eigentlich den Grundstein für eine Zivilisation legt.

Erste Versuche: Alles steckt in Kinderschuhen

Die Frühzeit ist naturgemäß eine Zeit, in der jeder Teil dessen, was wir heute als menschliches Zusammenleben kennen, in Kinderschuhen steckt. Genau wissen wir natürlich über die Zeit nicht Bescheid – aber Forschende in Archäologie, Geschichte und beispielsweise Anthropologie haben sich mit Fundstücken beschäftigt und Rückschlüsse gezogen.

Menschen, die in Gruppen zusammenlebten und mit der Zeit immer mehr Fähigkeiten entwickelten, haben sich mit unterschiedlichen Bereichen ihres Lebens beschäftigt. Die Bereiche, die sie sich aussuchten – aus schierer Notwendigkeit oder Interesse – waren die, in denen sich „die Menschheit“ weiterentwickelte. Ob nun also das Herstellen von Kleidung zum Schutz vor Kälte oder das Entwickeln von Musikinstrumenten, alles hat „uns“ weitergebracht.

Denn eine besondere Fähigkeit oder Eigenschaft von Menschen ist, dass sie viel lernen und neue Fähigkeiten teilen. Ob die unmittelbar „gewinnbringend“ sind, oder einfach nur Spaß bringen, Entspannung oder Glück und damit eine wertvollere Gemeinschaft schaffen. Oder aus einem anderen „indirekten“ Trieb verfolgt werden: dem Gemeinschaftsgefühl.

Pflege als evolutionärer Vorteil

Wer heute lebt kann sich – wenn er nicht übermäßig gestresst oder krank ist – recht leicht in andere Menschen hineinversetzen. Wir müssen nicht selbst etwas erleben, um mitzufühlen. Wir können uns auch bei uns völlig fremden Situationen meist zumindest ungefähr vorstellen, welche Gefühle jemand in der Situation erleben würde. Wir können mit anderen mitfühlen und wir verfolgen oft Ziele, die nicht nur uns selbst höchstpersönlich nützen, sondern einer größeren Gruppe von teilweise völlig fremden Menschen.

Diese Fähigkeiten widersprechen dem simplen Verständnis von „Evolution“, das viele Leute haben – da heißt es „der Stärkere gewinnt“ und „Stärke“ wird mit den Fähigkeiten eines Einzelkämpfers gleichgesetzt. Dabei gibt es ganz unterschiedliche evolutionäre Vorteile – Nachtsicht zum Beispiel oder die Fähigkeit, in totaler Dunkelheit als Fisch gut zu überleben. Ein evolutionärer Vorteil der Menschheit ist Kooperation.

In der Frühzeit haben wir, die Menschheit, begonnen, Fähigkeiten rund um diesen Vorteil zu entwickeln. Dazu gehörte Kommunikation – wer sprechen kann, kann sich über immer komplexere Dinge austauschen und Pläne schmieden. Dazu gehörte das „Teilen“ von Ressourcen und Aufgaben: „Ich jage, wenn du dafür kochst. Ich halte Wache, während du schläfst, danach bleibst du wach, während ich schlafe.“

Und dazu gehört im Kern der Beginn der Pflege: Wenn sich eine Gruppe um diejenigen kümmert, die allein nicht weitermachen könnten, hat das im ersten Moment keinen unmittelbaren Vorteil. „Rational“, oder eher kurzsichtig gesprochen, sollten die Alten und Kranken die Gruppe verlassen, damit beschränkte Ressourcen den Übrigen zur Verfügung stehen. Aber Menschen pflegen sich gegenseitig – auch wenn der Austausch nicht immer exakt gleich ist.

Das ist – mathematisch beleuchtet – ein riesiger Vorteil für die gesamte Gruppe und damit im Schnitt auch immer für den einzelnen. Sozial betrachtet ist es auch schlicht eine Form des Trainings und praktischen Anwendens langfristiger Planung und Bindung – wer sich nicht nur um unmittelbaren Gewinn kümmert, sondern weiter denkt, bringt alle voran.

Pflege als sich entwickelnde Fähigkeit

Menschen haben in ihrer Frühzeit die Fähigkeiten entwickelt, die man benötigt, um andere zu pflegen. Wie alles andere waren die Versuche dabei aus heutiger Sicht primitiv und natürlich konnte man lange an Krankheiten sterben, die heute längst harmlos sind oder sogar beispielsweise dank Impfen fast ausgestorben sind.

Aber „Medizin“ und Pflege entwickelten sich parallel zur Entwicklung der Menschheit: Menschen, die lernten, Werkzeuge zu nutzen, mussten auch lernen, bei einem Unfall eine Wunde richtig zu versorgen. Wer bei der Jagd, beim Sammeln von Beeren oder sogar beim Spielen hinfiel und sich einen Knochen brach, bekam Zeit und Hilfe, den Bruch zu heilen. Wer sich erkältete, bekam Zeit, schwach zu sein und wieder stark zu werden. Wer alt und deswegen schwach wurde, bekam Hilfe.

Das ist nicht nur der Ursprung von „Zivilisation“, sondern auch von Wissen und Fertigkeiten, die heute in den Bereich „Pflege“ fallen. Pflege und Medizin halten den „Pakt“ zwischen Menschen aufrecht, eine „Gesellschaft“ zu bauen und nicht bloß ein Haufen von Leuten zu sein.