Ganz persönlich: Das Gesundheitsministerium dreht sich um Jens Spahn

29.01.2021

Ganz persönlich: Das Gesundheitsministerium dreht sich um Jens Spahn

Auch eher politikverdrossene Menschen kennen spätestens seit Beginn der Corona-Krise den Namen des aktuellen Gesundheitsministers. Jens Spahn wird diskutiert und stellt sich in den Mittelpunkt – oft ganz ohne eigene Meinung.

Seine „Führungsrolle“ versteht er so, dass er immer wieder „Diskussionen anregen“ möchte oder fordert, bestimmte Vorschläge zu besprechen, ohne zunächst selbst Stellung zu nehmen. Kristallisiert sich eine Ansicht heraus, formt sich dann bald auch ein Statement von Herrn Spahn.

In der Pflege haben gerade intensivpflegebedürftige Patienten, aber immer mehr auch die Patienten und Patientinnen der Alten- und Krankenpflege, schon länger feststellen müssen, wie sehr die Perspektive, die dahinter immer wieder vorscheint, hauptsächlich aufs Geld gerichtet zu sein scheint.

Das alles scheint sehr fokussiert auf einen Mann, wo es doch eigentlich um eine Politik geht? Nicht Herr Jens Spahn allein trifft Entscheidungen, sondern ein Ministerium?
Das gilt und galt im Allgemeinen – Herr Spahn allerdings arbeitet selbst hart am Personenkult.

Pflege konkret – oder: Herr Spahn, der Gesandte

Eins der besten unangenehmen Beispiele für diese Nabelschau bietet ausgerechnet eine Aktion aus dem Bereich Pflege: Unter „Pflege besser konkret“ findet man eine Art Präsentation, in der man sich durch Bilder von Herrn Spahn, Zitate von Herrn Spahn, wahlkampfartige Sprüche über Herrn Spahn und Videos mit Herrn Spahn scrollen kann.

Dafür, dass es eigentlich um die Pflege und Maßnahmen gehen soll, steht hier erstaunlich ein Gesicht und ein Bild im Vordergrund.

Vergleicht man das mit der Seite der „konzentrierten Aktion Pflege“ dagegen, an der neben dem Gesundheitsminister auch Bundesfamilienministerin Dr. Franziska Giffey und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil beteiligt waren, fällt der Unterschied ins Auge: Auch hier gibt es Marketingbemühungen und Zitate für die Presse, aber der Inhalt der Seite ist dicht und übersichtlich. Es werden tatsächlich konkrete Ziele, Maßnahmen und Zahlen genannt. Im Gegensatz dazu ist die „Pflege besser konkret“ Seite eben nur konzentriert auf eine Person.

Pflegekräfte als Lachnummer und Diskussionen als Slideshow

Dass dabei der Respekt für die Pflege in jeder Hinsicht fehlt, erkennt man nicht nur am Fokus auf den Gesundheitsminister. Auch die Sprache ist ganz sorgfältig simpel – bis es dann ums Beeindrucken mit „großen Zahlen“ geht. Der Titel „Pflege besser konkret“, den auch auf der Webseite jemand nur mit Mühe in einen Satz fassen konnte („Das macht den Alltag in der Pflege konkret besser.“), erinnert an die Aktion des Familienministeriums zur peinlichen Youtube-Serie „Ehrenpflegas“.

Und die wichtigen Diskussionen um Respekt für die Pflege, Arbeitsbedingungen und Mindestlohn werden auf ein paar Taglines (Markenbotschaften) neben dem Bild eines einzelnen Mannes reduziert. Dabei versichert die Webseite „Am Geld scheitert die Besetzung [der freien Stellen] nicht. Aber Stellen finanzieren ist das eine – die Stellen zu besetzen, ist etwas anderes.“.

Nur um sich eben auch zu widersprechen: Natürlich scheitert es am Geld, wenn zwar „Stellen“ da sind, die aber schlicht mit keiner überlebensfähigen Bezahlung locken. Natürlich ist der Arbeitsplatz Pflege für zu viele einfach nur mit Anstrengungen und Stress verbunden, wenn heute noch die Bezahlung der Krankenkassen für jeden einzelnen Patienten vom Pflegedienst individuell ausdiskutiert werden muss.

So stellt sich ausgerechnet das Gesundheitsministerium in eine Reihe mit der „Vereinfachen“-Perspektive. Dabei sollten sich gerade dieses Ministerium und der Gesundheitsminister selbst zugänglich UND auf höchstem Niveau mit der Pflege und den Bedürfnissen von Pflegekräften, pflegebedürftigen Menschen und allen in der Gesellschaft, die irgendwann mal zu einer der beiden Gruppen gehören könnten, auseinandersetzen.

Personenkult schadet

Dieser Personenkult um Herrn Spahn schadet. Er schadet der Pflege und anderen Bereichen des Gesundheitsministerium, weil nicht über die eigentlichen Probleme und Belange gesprochen wird. Wer sich vor laufender Kamera artig bei einem lächelnden Onkel für seinen Besuch oder Almosen bedanken muss, ist abgelenkt vom Gespräch über Inhalte.

Er schadet der Diskussion an sich, weil die manipulativen Strategien einer einzelnen Person debattiert werden müssen, bevor die Gespräche zum Thema zurückkommen können. Werden diese Taktiken nicht angesprochen und ausgesprochen, fällt die Debatte auf das Niveau altherrschaftlicher Senatoren. Gab es ausreichend Show? Können wir eine Heils- oder Hassperson küren?

Über Herrn Spahns nicht vorhandene Politik sprechen zu müssen, ist ähnlich traurig und schädlich wie ständige Diskussionen über das Aussehen, den Haarschnitt oder die Kleiderwahl anderer Politiker. Anders als bei ihnen wird diese unnütze Diskussion vom Gesundheitsministerium aktuell aber sogar forciert.

Im Moment ist es aber leider nötig, den Fokus von Herrn Spahn auf sich selbst ernst zu nehmen. Wenn diese falsche Gewichtung endlich aus dem Weg ist, können die Gespräche zum eigentlichen Inhalt zurückkehren.

Das wünschen wir uns fürs neue Jahr: Neuerungen, deren Auswirkungen nicht hinter drei Marketing- und Manipulationsschichten versteckt sind. So haben wir dann auch alle mehr Energie für produktive Beiträge in den Diskussionen, auf die es ankommt.