05.01.2024
Neustart für die Pflege? Wirklich?
Der Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte im letzten Jahr einen „Neustart“ für die Pflege an. Dabei geht es um viele lang diskutierte Punkte: mehr Kompetenzen für qualifizierte Pflegekräfte, mehr Selbstständigkeit für diejenigen, die eh die Verantwortung tragen, und eine bessere Positionierung im Dialog über Pflege.
Was bringen die Versprechungen zu einem Neustart für die Pflege wirklich - und was erwarten wir von den Eckpunkten?
Eckpunkte einer Neuregelung
Die Eckpunkte eines Gesetzesentwurfs zur Reform der Pflegekompetenz wurden am 19. Dezember vorgestellt – das ist eine Startbekanntmachung, der noch viel Ausgestaltung der Details folgen werden.
Dementsprechend sind die „Eckpunkte“ vorläufig auch eher stichpunktartig unter der Überschrift „Mehr Kompetenzen“ zusammenfassen:
· In der ambulanten Pflege schließt das Leistungsverordnung beispielsweise im Bereich Wundversorgung ein.
· Bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit sollen Pflegekräfte beteiligt werden.
· Mit einem entsprechenden Masterabschluss qualifizierte Pflegekräfte sollen als Advanced Practice Nurses zukünftig eigenständig bestimmte heilkundliche Aufgaben übernehmen können wie die Verordnung von häuslicher Krankenpflege, von Hilfsmitteln (vermutlich in Erweiterung der bereits bestehenden Regelungen) und „womöglich“ von bestimmten Arzneimitteln.
Ein weiterer Punkt ist die Stärkung der „Stimme“ der Pflege.
Eckpunkte eines Kommentars
Die Eckpunkte sind bisher denkbar vorsichtig formuliert. Zwar gehen sie genau in die Richtung, die auch die Pflege fordert, aber etwas Misstrauen dürfen wir behalten.
Fangen wir hinten an, bei der Stärkung der Stimme der Pflege. Bei der Vorstellung der Eckpunkte war zwar auch die Präsidentin des Deutschen Pflegerats, Christine Vogler, anwesend – die Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Claudia Moll, veröffentlichte aber nur eine Mitteilung, dass sie den Entwurf „begrüßt“. Das stellt das Amt wieder mal in Frage: geht es hier wirklich darum, dass die Pflege repräsentiert wird – oder darum, dass sich andere aus der Diskussion zurückziehen können?
Bei den anderen Punkten fällt vor allem die immer vorsichtigere Formulierung auf: mit einem Master-Abschluss qualifizierte Expert*innen für Pflege/Heilkunde sollen „womöglich“ „bestimmte“ Arzneimittel verordnen können. Auch heute schon liegt die große Kompetenz der Pharmazie nicht bei den Mediziner*innen, die sie verschreiben, sondern den ausgebildeten Pharmazeut*innen/Apotheker*innen, die sie entwickeln und verstehen. Während es selbstverständlich sein sollte, dass alle Expert*innen für Medizin bei Verordnungen nur in ihrem Fachgebiet kompetent entscheiden können („bestimmte Medikamente“ verordnen können), ist das „womöglich“ ein deutlicher Hinweis auf die immer noch bestehenden Widerstände bei dieser Herangehensweise an Kompetenzen, die außerhalb des Medizinstudiums im eigentlichen Sinne erworben wurden.
Auch bei den Beispielen für die erweiterten Kompetenzen für Pflegekräfte geht es aktuell vor allem um Punkte, deren bisheriges Fehlen die meisten Menschen beim ersten Hören überrascht. „Wie, eine Pflegekraft mit Expertise in Wundversorgung darf nicht selbstständig entscheiden, ob jemand ein Pflaster braucht?!“
Insgesamt heißt es mal wieder abwarten: Was dann am Ende aus den Eckpunkten für ein Entwurf wird, wie der Entwurf am Ende vorgelegt wird und was nach einer Abstimmung davon noch übrig ist.