KI-Unterstützung in der Pflege wird zur Betrugserkennung entwickelt

01.09.2023

KI-Unterstützung in der Pflege wird zur Betrugserkennung entwickelt

Forscherinnen am Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik entwickeln eine KI, die helfen soll, Abrechnungsbetrug in der Pflege zu erkennen.

Investition in Betrugserkennung

Das Projekt soll helfen, die vielen Abrechnungen, die aktuell in Papierform bei den Krankenkassen eingehen, zu prüfen und auf Auffälligkeiten zu testen. Dazu soll die KI lernen, besser als ihre menschlichen Counterparts zu arbeiten und Texte zu entziffern, die für uns unlesbar geschludert aussehen.

Die so erhaltenen Daten können dann auf Betrugstaktiken durchsucht werden. So richtig wird im Artikel des Fraunhofer Instituts und der späteren Pressemitteilung. nirgends erwähnt, welche Arten von Betrug hier wie erkannt werden können. Sucht der Prototyp nach parallelen Arbeiten einer Pflegekraft? In der Pressemitteilung der Polizeidirektion Leipzig wird als Beispiel für Pflegebetrug auch das unzureichende Durchführen von Aufgaben aufgrund von fehlender Qualifikation aufgeführt.

Natürlich kann die Polizei nicht alle Karten offen legen – wenn sie veröffentlicht, dass sie Betrüger oft daran erkennt, dass alle Abrechnungen mit dem gleichen Kuli ausgefüllt wurden, können Betrüger schnell auf mehrere Stifte wechseln.

Trotzdem fehlen Informationen dazu, wie genau das vermeintlich so drängende Problem es Betrugs in der Pflege gelöst werden soll.

Ein Teil des Projekts: Digitalisierung, die dringend fehlt

Deutschland investiert damit aber auch in ein Projekt, dessen Teilschritt für die Pflege konstruktiv und produktiv sein könnte: das automatische Einlesen und Vereinheitlichen von handschriftlichen Aufzeichnungen aus der Pflegedokumentation ist ein potenziell enorm hilfreiches Tool.

Das, was der Polizei die Ermittlungen erschwert (viele chaotische Aufzeichnungen in verschiedenen Handschriften und verteilte Zettelwirtschaft), macht auch die Verwaltung und Abrechnung in der Pflege schwieriger – auch ganz ohne Betrugsabsichten! Da wäre ein Tool, das die handschriftlichen Notizen (das geht meist schneller und es fehlen eben adäquate digitale Werkzeuge) digitalisiert, vereinheitlicht und überprüfbar macht, ganz schön hilfreich.

Insbesondere könnte damit – bevor irgendwelche Rechnungen eingereicht werden! – die Abrechnung in den Pflegediensten vereinfacht werden. Das vermeidet dann auch Fehler und reduziert die Zahl der „Betrüge“, die versehentlich passieren.

Auch andere starke und große Entwicklungstools könnten der Pflege aktiv helfen – beispielsweise bei der Erstellung von Dokumentationen. Das wird zwar aktuell immer mal wieder angesprochen, aber beim letzten Projekt, für das wir auch kontaktiert wurden, wurde beispielsweise die ambulante Pflege quasi vergessen – dass es nicht in jedem Zuhause pflegebedürftiger Personen stationäre Checkpoints geben kann, war nicht bedacht worden.

Wieso investiert Deutschland so?

Die Investitionen und Fördergelder fließen in die Betrugserkennung. Wieso hat dieser Schritt Priorität und nicht die Entwicklung von hilfreichen Tools für die Digitalisierung der Abrechnung selbst?

Wir sehen in der Diskussion um die Pflege immer wieder, dass der Fokus nicht auf den Pflegediensten liegt, die gute Arbeit leisten und helfen. Auch bei der Frage, ob auch intensivpflegebedürftige Patienten bei ihren Familien bleiben dürfen, führte schon der damalige Gesundheitsminister Jens Spahn immer wieder die betrügerischen Pflegedienste an. Entgegen der Studienlage, die zeigt, dass Patient*innen in Pflege-WGs sicherer sind und besser versorgt werden können, behauptete er, eine Zwangsverlegung in Heime diene der „Sicherheit“ der Patient*innen vor betrügerischen Pflegediensten.

Diese „Sicherheits“-Diskussion verdeckte damals einfach die Kostenkalkulation, die tatsächlich hinter den Plänen steckt, die ambulante Pflege zu schwächen: natürlich ist die „Massenabfertigung“ im Heim günstiger.

So etwas ähnliches könnte man bei der Investition in Betrugserkennung vermuten: reden wir weiter laut und deutlich über den „vielen Betrug“, können wir auch so tun, als wäre das Problem nicht, dass zu wenig Geld für Pflege da ist. Die „vielen Betrüger“ schlucken es einfach und wenn ein Pflegedienst legitim arbeitet (zunächst stehen sie ja nun alle unter Generalverdacht, das nicht zu tun), dann sollte er die Probleme beim anderen Pflegedienst suchen, der eine Behandlung doppelt abgerechnet hat.