Zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz

14.10.2022

Zum Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz

Wir erleben aktuell gerade die Umsetzung des Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetzes, das in der letzten Legislaturperiode noch von vormaligen Gesundheitsminister Spahn vorbereitet und angekündigt wurde.

Die Situation zeigt jetzt genau das, was wir schon vorher befürchtet haben: Das Gesetz ist an so vielen Stellen nicht zu Ende gedacht.

Intensivpflege zu Hause erschwert

Die Intensivpflege im eigenen Zuhause wird schwieriger. Unter der Vorgabe sie „sicherer“ zu machen, gibt es mehr Vorgaben. So viel vorab: Die ambulante Pflege in Intensivpflege-WGs hat sich schon lange als sicherer als die in Pflegeheimen erwiesen.

Eine Maßnahme für mehr „Sicherheit“ ist, dass nur noch besonders ausgebildete Fachärzte die Intensivpflege zuhause verordnen können. Der besondere Trick: diese Fachärzte gibt es nicht. Nur sehr wenige Ärzte machen die zusätzliche Facharztausbildung, um dann aufwändige Hausbesuche zu machen. Denn es wäre ja nicht mit einer einmaligen Begutachtung getan: Einmal jährlich muss die Prüfung vor Ort wieder stattfinden – und um sechs Monate versetzt mindestens auch noch per Videokonferenz.

Wenn die Prüfung nicht stattfindet, gibt es kein Geld für die Pflege. „Sicherer“ wird also vor allem die finanzielle Motivation, lieber im Pflegeheim gepflegt zu werden. Oder „pflegen zu lassen“, denn gerade Angehörige stehen unter enormem Druck, einen pflegebedürftigen Menschen von Zuhause weg und in ein Pflegeheim umziehen zu lassen.

Ein ständiger Vorwurf an die ambulante Intensivpfelge – und Angehörige

Die neue Perspektive auf Intensivpflege, die im Gesetz ausgedrückt wird, enthält auch viel Misstrauen. Nicht nur Pflegediensten gegenüber, unter denen es – das braucht man nie bestreiten! – auch Betrüger gibt.

Es ist auch ein Misstrauen gegenüber Angehörigen, dass sie grundsätzlich versuchen, eine sichere und angenehme Lösung für die ganze Familie zu finden.

Die regelmäßige Behauptung in der Ankündigung des Gesetzes: Angehörige würden nur auf die Unterbringung im Pflegeheim verzichten, weil die Kosten dort so groß sind. Deswegen nimmt das neue Gesetz diese finanzielle Belastung hier weg.

Im eigenen Zuhause hängt dagegen ständig die Bedrohung über einer Familie, bei Verpassen einer Prüfung selbst für die Intensivpflege aufkommen zu müssen. Da wie erwähnt die Ärzte, die diese Prüfung anbieten, rar sind, hängt hier ein ständiges Damlokesschwert über jeder Familie, die bisher das Zusammenleben mit einem pflegebedürftigen Angehörigen schätzt.

Das große Thema Entwöhnung ist eigentlich ganz klein

Die Betrüger unter den Intensivpflegediensten haben sich vor allem auch durch den „Trick“ ausgezeichnet, die künstliche Beatmung für Patienten fortzusetzen, die eigentlich entwöhnt werden könnten. Denn die Beatmung bringt mehr Einnahmen als die „normale“ Pflege.

Jetzt gibt es viele Vorgaben für Patienten, die beatmet werden. Zunächst einmal werden sie länger im Krankenhaus gehalten, wenn dort ein erster Entwöhnungsversuch stattfinden kann. Und dann wird die Möglichkeit der Entwöhnung immer wieder geprüft.

Eine Maßnahme von enormer Bedeutung – für nur ca. 8 % der beatmeten Patienten. Denn nur in ca. jedem 12. Fall ist eine Entwöhnung überhaupt möglich.

Über die erfolgreichen Fälle „liegen der Bundesregierung keine statistischen Daten vor“ (siehe Drucksache 18/16234 des deutschen Bundestags).

Auffangen: Zwischen Krankenkassen, Pflegediensten und Angehörigen

Aktuell fangen Krankenkassen, Pflegedienste und Angehörige gemeinsam mit den Pflegebedürftigen Menschen die Folgen des Gesetzes auf. Auf Seiten der Angehörigen und Betroffenen vor allem mit persönlicher Unsicherheit um die eigene Zukunft, das Verbleiben im eigenen Zuhause und das Zusammenleben mit der Familie.

Auf Seiten von Krankenkassen und Pflegediensten wie uns vor allem in finanzieller Unsicherheit eingefangen. Denn – hier nichts neues – die Konsequenzen der Vorgaben sind noch unklar und die Gegenfinanzierung aller Reformen steht noch lange nicht.