Impulse aus der Pflege: Weiterqualifizierung für mehr Verantwortung

29.07.2022

Impulse aus der Pflege: Weiterqualifizierung für mehr Verantwortung

Ein Diskurs in der Pflege dreht sich aktuell um die Frage, ob Pflegekräfte nicht mehr Verantwortung übernehmen können sollten. Aktuell darf eine ausgebildete Pflegefachkraft streng gesehen nicht eigenständig entscheiden, ein Pflaster zu kleben – bei der Versorgung von Wunden und anderen medizinischen Maßnahmen soll eine Ärztin oder ein Arzt involviert sein.

In anderen Ländern sieht das anders aus – Pflegekräfte sind dort aktiv als medizinische Fachkräfte beschäftigt, die eigenständig Entscheidungen treffen oder an andere Experten verweisen können. Ein Grund dafür sind die komplett andere Ausbildung und Perspektive. Die Ausbildung in der Pflege ist oft ein Studium, das anders als in Deutschland nicht auf mehr Verwaltungskompetenz abzielt, sondern vor allem auf medizinische Expertise.

In der deutschen „Standard“-Ausbildung für Pflegekräfte fehlt also teilweise dieses Level an medizinischer Ausbildung. Auch wenn man diskutieren könnte, ob sie nun wirklich für kleine Entscheidungen wie Pflaster über Schürfwunden immer notwendig ist, können wir also herausfinden, ob mehr Ausbildung nicht ein Schlüssel zur Fortentwicklung der Pflege sein könnte.

Souveräner Umgang mit dem Job wie er ist

Ein Bereich, in dem in der Pflege neue Weiterbildungen oder Qualifikationen helfen können, ist der Umgang mit dem Job, wie er ist. Ein Beispiel dafür sind unsere Fortbildungen zur familienzentrierten Pflege insbesondere in der Intensivpflege.

Dabei geht es darum, wie wir in unserer Arbeit die Rolle einnehmen können, die wir haben sollten: Unterstützer für Patienten und ihre Familien, die das Familienleben nicht stören, sondern wieder möglicher machen. Welche Unterstützung jemand von uns am meisten braucht, weiß er selbst am besten.

Es ist logisch ist, wenn man einmal darüber nachdenkt: kein Störfaktor zu sein, wenn man als neuer alltäglicher oder ständiger Besucher in ein Leben kommt, ist viel schwieriger, als einer zu sein.

Deswegen sind Qualifikationen wie unsere zur Praxis der familienzentrierten Pflege so hilfreich dabei, den Job, den wir aktuell haben, besser zu machen.

Neue Aufgaben lernen

Es gibt bereits einige Fortbildungen und Weiterbildungskurse in der Pflege, mit denen Pflegekräfte ihre Qualifikation erweitern und – in Absprache mit ihrem Arbeitgeber oder sogar Krankenkassen – ihre Aufgabenbereiche erweitern können. Dazu gibt es auch bereits Programme, die beispielsweise „Gemeindeschwestern“ wieder mit der Funktion einführen, medizinische Erstansprechpartner zu sein.

Man findet allerdings wenig Beispiele, die Pflegekräften gezielt helfen können, sich für einen erweiterten Aufgabenbereich außerhalb der traditionell bereits bestehenden Aufgabenfelder für Pflegekräfte zu qualifizieren.

Weiterqualifizierung – aktiv oder subversiv?

Dabei wäre beispielsweise denkbar, aus der Pflege ein System an Fortbildungen zu entwickeln, die dann – in Absprache mit den Krankenkassen, dem Gesetzgeber, Medizinern und Patientenvertretern – die Aufgabenbereiche von „klassisch“ ausgebildeten Pflegekräften erweitern.

So ein Vorgehen wäre aufwendig und erfordert erheblichen organisatorischen Einsatz. Der Aufbau der Pflegekammer NRW ist hier vielleicht eine Chance: Eine zentrale Stelle kann solche „Verhandlungen“ einfacher führen als die noch nicht organisierte Pflege mit ihren vielen Stimmen aktuell kann.

Andererseits können Pflegekräfte bestimmte Entwicklungen auch vorwegnehmen. Sie könnten Anforderungen identifizieren und diese ganz gezielt selbstständig in Fortbildungen gießen und damit Vorschläge machen. Was ist nötig, um selbstständig über Wundversorgung entscheiden zu dürfen? Eine Fortbildung, ein Zertifikat, eine Prüfung …? Wenn es die noch nicht gibt, wie müsste sie aussehen?

Sind diese Fragen einmal geklärt, kann man im nächsten Schritt überlegen, ob eine subversive Umsetzung eine gute Demonstration wäre. „Hallo hier sind wir. Voll qualifiziert, Pflaster zu geben. Wieso dürfen wir das immer noch nicht?“