26.08.2022
Impulse aus der Pflege: Lebensgestaltung aktiv unterstützen
Die Frage der Mitgestaltung von Pflege aus der Pflege heraus beschäftigt uns aktuell in Blogartikeln. Zuletzt hatten wir uns dabei auf die Weiterbildung als Selbst-Entwicklungsmöglichkeit bezogen, diese Woche wollen wir uns Möglichkeiten ansehen, wie auch pflegebedürftige Menschen in ihrem Leben abgeholt werden können.
Denn manchmal macht Pflegebedürftigkeit in einem Leben viel „kaputt“. Einerseits, weil bestimmte Dinge selbstständig eben nicht mehr gehen. Andererseits, weil die Pflege selbst das Leben verändern kann. Ein Beispiel: Jemand, der gerne allein und unabhängig lebte, muss schon bei einfacher ambulanter Grundpflege jetzt jeden Tag jemanden in der eigenen Wohnung begrüßen.
Wie kann Pflege ein weniger einschneidendes Erlebnis werden und damit angenehmer für Pflegende und Gepflegte sein?
Die gleiche Sprache sprechen
Wer in der Pflege arbeitet, spricht eine eigene Sprache – die Fachsprache seines Berufs. Das gleiche gilt für Bauarbeiter*innen, Geschichtsprofessor*innen und Gärtner*innen. Diese Sprache ist effizient, sie ist zugeschnitten auf den Job und sie macht die Arbeit oft einfacher und schneller. Aber sie ist eine Sprache unter Kolleg*innen – nicht immer die zwischen Pflegeexperte und gepflegter Person.
Pflegende müssen eine eigene Sprache mit allen Kund*innen finden – klar und geradeaus, höflich und zurückhaltend oder humorvoll? Das gehört zu den besonderen sozialen Fähigkeiten, die Pflegende sich mit der Zeit aneignen oder als Talent mitbringen.
Aber es kann auch weitergehen: in der Pflege kann aktiv die Sprache benutzt werden, die die Kund*innen mitbringen. Ein Beispiel bietet ein Projekt in Norddeutschland, bei dem Pflegende und Pflegeheime ausgezeichnet werden, wenn sie auf plattdeutsch pflegen. Sie sprechen also mit Bewohner*innen der Heime die Sprache ihrer Heimat, ihrer Kindheit und Familien und Freunden.
Im Ruhrgebiet, in dem viele unserer ambulanten Pflegedienste unterwegs sind, gibt es kein Äquivalent des niederdeutschen Platt – aber viele, viele Ausdrücke, die ganz lokal verstanden werden. Und es gibt viele Familien, die nicht bloß Deutsch sprechen, sondern Persönliches am häufigsten auf Polnisch, Türkisch, Arabisch, Italienisch, Russisch oder in weiteren Sprachen bereden.
Darin können auch Pflegende sie abholen, die diese Sprachen eigentlich nicht sprechen. Hallo, Guten Morgen, Wie geht’s, Gut, Schlecht, Traurig, Glücklich, … - all das sind kleine Phrasen, die man mit Hilfe von Google Translate leicht lernen kann.
Auf Vorlieben eingehen: wie viel Freiheit gibt es?
Die Überarbeitung der Pflegestufen zu Pflegeraden brachten den Wechsel von der Frage „Welche Einschränkungen gibt es?“ zu „Was kann jemand noch?“
So ähnlich kann man manchmal auch versuchen, die Perspektive einer Situation zu wechseln. Viel Zeit bleibt im aktuellen Pflegemodell nicht für ein „Rundherum“ – gerade im ambulanten Bereich sind die Kolleg*innen immer auf dem Sprung. Das burtzoorg-Modell zeigt, dass Pflege ganz anders gehen kann. Als wir es damals im Blog besprochen haben, lautete das Fazit: Das geht nur als komplette Umstellung, nicht im aktuellen System.
Aber die Frage kann lauten: Was geht während der Pflege, wie sie jetzt ist? Wie viele eigene Entscheidungen können vorkommen? Kann man einer Patientin, die ihren Garten vermisst, nicht wenigstens eine kleine Blume für die Fensterbank mitbringen?
Allein lässt sich das nicht leicht organisieren. Aber auf Ebene eines ganzen Pflegedienstes oder eines Netzwerks? Im Besprechungsraum 50 Samen vorzuziehen, ist insgesamt weniger Arbeit, als wenn 50 einzelne Pflanzen vorbereitet werden.
Welche Samen können wir jetzt pflanzen, damit die Lebensgestaltung unserer Kund*innen wieder aufblüht?