25.11.2022
Pflege als Risikofaktor für Armut
Pflegende Angehörige – Menschen, die ehrenamtlich einen nahestehenden Menschen pflegen – sind häufiger als andere in Deutschland von Armut bedroht oder arm. Das zeigt laut Berichten unter anderem des VdK eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW).
Insgesamt seien rund 20 % der ehrenamtlich Pflegenden von Armut bedroht, betrachte man nur die Frauen seien es sogar rund 25 %. Also: Jede vierte Frau und insgesamt jede fünfte pflegende Person.
Wer pflegt, verliert Geld
Die Pflege durch Angehörige wird grundsätzlich nicht entlohnt. Es gibt zwar das Pflegegeld, in die Nähe eines normalen Gehalts für irgendeine Arbeit kommt man damit aber nicht. Auch die Rentenpunkte, die pflegende Angehörige sammeln, stellen keine eigene Absicherung dar.
Für alle, die die Pflege neben einem anderen Job leisten, sind Pflegegeld und zusätzliche Rentenpunkte „Boni“ – nicht viel, aber nett. Wenn die Pflege aber mehr Zeit kostet, dann kostet sie auch Geld. Denn das Geld für die gleiche Arbeitszeit ist zuhause und in der Pflege viel geringer als anderswo.
Gleiche Arbeit – ein Bruchteil des Gelds
Ganz klar: Wenn ich als Pflegekraft Patienten (oder in der Intensivpflege auch nur einen Patienten) betreue, bekomme ich für die 40 Stunden in der Woche wesentlich mehr Geld, als wenn ich meinen Ehemann, meine Ehefrau oder mein Kind pflege – auch wenn das weit mehr als 40 Stunden in der Woche sind. Meine Ausbildung und Qualifikation sind dabei völlig egal.
Ähnlich wie in anderen Bereichen der unsichtbaren, unbezahlten Arbeit, auf der die Gesellschaft ruht, lohnt es sich also eher, die gleiche Tätigkeit beruflich, also bezahlt zu machen.
Pflegende Angehörige haben Nachteile im Job
Auch wenn es viele Entlastungsgesetze und Vorschriften für pflegende Angehörige gibt, gleichen die nicht die finanziellen Nachteile aus, die ihnen entstehen. Wer zusätzlich zum Job pflegt, hat weniger Energie „über“. Man verwendet also weniger Energie auf den Job, die Familie oder die persönliche Entwicklung.
Das hat garantiert Nachteile: wer weniger Energie für die Arbeit hat, leistet weniger und kommt nicht so gut voran. Wer weniger Energie in Privates steckt, ist nicht nur unglücklicher, sondern kürzt damit sogar die eigene Lebenserwartung. Und nebenbei: wer unglücklicher wird, ist auch wieder schlechter im Job, nimmt also gleich beide Nachteile mit.
Angehörigenpflege als „teures Hobby“
Wer die Pflege von anderen „freiwillig“ übernimmt, zahlt dafür. Mit Energie und Zeit, aber auch durch finanzielle Einbußen. Das perfide: wer sowieso schon nicht gut verdient, hat sogar noch mehr Nachteile, wenn die Pflege von außen kommen soll.
Denn auch die Sachleistungen reichen nicht immer aus, einen geliebten Menschen so versorgen „zu lassen“, wie man es sich wünscht. Also muss man zusätzlich pflegen, und das dann ganz ohne finanziellen Ausgleich. Oder man zahlt noch drauf. Unmöglich, wenn das Geld knapp ist.
Deswegen ist für viele Menschen der einzige Schritt ganz in die häusliche Pflege – als „Ehrenamt“, nicht als Profi. Und wer deswegen keinen zweiten „Hauptjob“ mehr schafft, der landet in der Arbeitslosigkeit und lebt von Hartz IV – inklusive Verpflichtung, sich regelmäßig um einen Job zu bemühen.
Ein wackliges Konstrukt auf brüchiger Basis
Es ist gut, dass die eine Säule der Pflege – die professionelle – mehr Beachtung findet und untersucht wird. Die andere, große und oft unsichtbare, die Pflege durch Angehörige, gerät oft dabei in Vergessenheit.
Was wir als Pflegedienste anbieten können, ist einmal eine Stimme – wir machen mit aufmerksam auf das Dilemma. Und individuell die Unterstützung in der Pflegeberatung – hier können wir zuhören und zumindest Tipps geben.