03.09.2018
Ambulante Pflege: Sich im Stress Zeit nehmen
Die ambulante Pflege bei Patienten zuhause ist oft eine stressreiche und belastende Tätigkeit – das gilt sowohl für Angehörige, die selbst die Pflege eines Familienmitglieds oder besonderen Menschen übernehmen, als auch für ausgebildete Pflegekräfte.
Die erste wichtige Botschaft für jeden, der Pflege als Stress empfindet, ist wohl, dass das Gefühl normal ist. Die Aufgaben sind anspruchsvoll – körperlich und emotional – und es ist kaum vorstellbar, dass jemand sie bewältigen kann, ohne sich je gestresst zu fühlen.
Es gibt aber Möglichkeiten, diesen Stress zu bewältigen und damit umzugehen – und gute Gründe, wieso alle Pflegenden sich aktiv Zeit nehmen sollten.
Wieso es wichtig ist, sich Zeit zu nehmen
Wer beruflich in der Pflege tätig ist, kann genauso ein Lied davon singen wie diejenigen, die „nur“ eine Person privat pflegen: Pflege kostet Zeit. Auch wenn Kataloge vorgeben, eine bestimmte Tätigkeit dauere nur fünf Minuten, vergessen diese Kataloge oft das Drumherum. Wer läuft beispielsweise zu einem pflegebedürftigen Menschen, grüßt nur beiläufig und wechselt blitzschnell einen Verband, während er sich gedanklich schon auf den nächsten Arbeitsschritt vorbereitet?
Die Antwort lautet: Alle, die unter Stress stehen und deswegen nicht viel Zeit für die Aufgabe haben. Pflegende Angehörige haben Verpflichtungen außerhalb der Pflege und Pflegekräfte müssen oft weiter zum nächsten Termin.
Ruhe bei der Pflege mitzubringen, ist aber ein essenzieller Bestandteil von guter Pflege, die mehr als nur die Abfolge von Tätigkeiten umschließt. Pflege sollte mit Empathie erfolgen und ist eine zwischenmenschliche Begegnung. Bei der ambulanten Pflege kommt eine Pflegekraft zu Besuch ins Haus eines Menschen. Dieser Besuch sollte nicht rein funktional sein. Jemand, der selbst zuhause pflegt, sollte ebenfalls nicht ausgerechnet bei der Pflege in einen „maschinellen“ Modus umschalten.
Wieso alles länger dauert, als geplant
In der ersten Zeit dauern bestimmte Pflegeschritte noch etwas länger, weil jemand sie erst einüben muss. Später sitzen Handgriffe quasi automatisch und funktionieren routiniert. In dieser Zeit dauern die eigentlichen Tätigkeiten – das Wechseln von Verbänden, das Sortieren von Medikamenten, das Waschen oder Ankleiden – länger. Das gilt einerseits für die Lernphase der Pflegenden – ob als Pflegefachkraft oder als Angehörige –, aber andererseits auch für jedes „erste Mal“ mit neuen Patienten.
Später gehen Tätigkeiten in Routine über und das Zusammenspiel zwischen Patient und Pflegekraft lässt alles idealerweise schnell gelingen. Fern vom Ideal gibt es in der Realität aber oft verschiedene Gründe für „Verlängerungen“:
- Das kann sein, weil jemand emotional belastet ist. Zum Beispiel, weil Pflegende in anderen Lebensbereichen Stress haben oder ein Patient morgens schlechte Nachrichten bekommen hat.
- Manchmal liegt es auch am verwendeten Material – ein gerissener Handschuh oder ein abgebrochener Verschluss können enorm Zeit kosten.
- Wenn jemand krank oder müde ist werden Pflegeaufgaben schwieriger.
- Wer unter Zeitdruck ist, macht häufiger Fehler – die wiederum Zeit kosten.
Bei Pflege zuhause Ruhe bewahren und mitbringen
„Zu hastig und zu träge kommt gleich zu spät“, schrieb Shakespeare. Auch der Schlüssel zu mehr Zeit für Pflege ist weder, alles zu hetzen, noch sich einfach Zeit zu lassen und zu „trödeln“. Es lässt sich ja nicht leugnen, dass der nächste Termin ansteht und noch andere Pflichten warten.
Oft hilft es schon etwas, sich daran zu erinnern: Eile hilft kaum, Zeit zu sparen. Durch Hektik entstehen Fehler – die nur Zeit kosten. Viele Patienten sind durch Hast überfordert und haben Schwierigkeiten, wie gewünscht zu kooperieren.
Oft entsteht Hast aus dem Gefühl, sonst schneller zu sein – dann kann es helfen, die Zeit für verschiedene Aufgaben bewusst wahrzunehmen. Vielleicht dauert eine Aufgabe eigentlich immer zehn Minuten, egal, wie man sie tut. Dann sind zehn Minuten in Ruhe angenehmer, als zehn Minuten in Eile.
Manchmal hilft es auch, sich bewusst Zeit zu nehmen: Für eine Aufgabe, die „immer“ fünf Minuten dauert, werden zehn eingeplant. So gibt es Luft und weniger Druck, die Aufgabe in weniger als fünf Minuten zu erledigen.
Wenn der Stress in der Pflege überhandnimmt
Manchmal wird Pflege trotzdem zu viel – für Profis und für Angehörige. Wenn Sie merken, dass Sie bei der Pflege gestresst sind und keinen klaren Kopf mehr für Ihre Aufgabe haben, sollten Sie handeln.
Angehörige können sich Hilfe von Pflegediensten holen: Weitere Personen, die die Aufgaben teilen und dadurch entlasten.
Wenn professionelle Pflegekräfte merken, dass die ambulante Pflege zu viel Stress verursacht, können sie mit Teamleitern oder Arbeitgebern sprechen. Vielleicht wurde eine bestimmte Aufgabe bisher falsch eingeschätzt – die Arbeit bei manchen Patienten dauert länger als bei anderen und das ist keine Frage der Kompetenz der Pflegekraft. Vielleicht ist ein Plan auch falsch aufgestellt.
Wenn die ambulante Pflege bei Patienten nur gehetzt abläuft und es keine Aussicht auf Ruhe gibt, sehen Sie sich nach einem neuen Job um – zum Beispiel bei uns. Denn Zeit für gute Pflege ist eins unserer wichtigsten Prinzipien.