23.12.2022
Agile Pflege - eine neue Perspektive aufs Pflegen?
Agiles Arbeiten oder auch New Work, das sind Schlagworte, die überall im Trend liegen. Auch in der Pflege denken viele darüber nach, ob das Arbeiten an sich nicht neu gedacht werden muss. Damit könnten viele bekannte Ansprüche – Selbstständigkeit, Verantwortung, Belastungsreduzierung – in Angriff genommen werden.
Wie bei jedem Trend muss man sich zur agilen Pflege durch ein paar Buzzwords wühlen, um entscheiden zu können, ob die zugrunde liegenden Inhalte passen. Wir sehen uns heute die Buzzwords, aber auch die Inhalte im Überblick an.
Agiles Arbeiten als Trend? New Work!
„New Work“ ist ein aktuell wichtiger Begriff, unter dem einerseits Digitalisierung und das Verschieben von viel Arbeit ins Homeoffice (natürlich in der Pflege eine spannende, aber wenig realistische Idee) und andererseits das Umräumen alter Hierarchien oder Arbeitsstrukturen zusammengefasst werden.
„Agiles arbeiten“ ist ein Begriff, der sich auf Umwegen aus der Softwareentwicklung von „agilem Management“ ableitet. Das wiederum ist eine Führungsweise, die nicht auf klassischen Hierarchien besteht, sondern Entscheidungen und Verantwortung ins gesamte Team verlegt.
Es gibt verschiedene spezielle „Managementstile“, die Regelsets oder eine eigene Art mitbringen, über die Arbeit zu sprechen, wie beispielsweise SCRUM. So ein neues Regelwerk soll helfen, von einer normalen hierarchischen Struktur (die man sich wie eine Pyramide vorstellen kann, an deren Spitze die Chefin oder der Chef eines Unternehmens sitzt) in eine agile zu wechseln und das neue Selbstverständnis auch anzuwenden.
Kernbereiche agiler Arbeit in der Pflege
Diese wichtigsten Komponenten der agilen Arbeit lassen sich auch in der Pflege denken: Teams erarbeiten Entscheidungen und Problemlösungen als Ganzes, statt auf die Entscheidung einer Person zu warten. Durch eine gemeinsame Definition von Rollen und Aufgaben einerseits und Qualitätskriterien andererseits lässt sich immer wieder prüfen, ob das Team gerade „gute Arbeit“ leistet. Damit Probleme gelöst werden können, einigt man sich außerdem auf eine Art, wie mit Problemen umgegangen werden soll.
Entscheidungsfindung und Problemlösung im Team statt von oben nach unten
Auch wenn es sehr einfach klingt: zu lernen, wie man Entscheidungen im Team trifft, ist gar nicht so simpel. Denn es gibt mehr Möglichkeiten, als nur abzustimmen. Bei einer fairen Abstimmung zählt jede Stimme gleich, aber es gibt keine Argumente, die gegeneinander aufgewogen werden. Eine Debatte kann sich lange hinziehen. Wenn Standpunkte schriftlich oder mündlich begründet werden müssen, macht das einen Zeitunterschied – und bevorzugt diejenigen, die sich gut so ausdrücken können.
Auch die Problemlösung will gelernt sein. Wenn ein Mitglied des Teams seine Aufgaben nicht erfüllt (siehe im nächsten Abschnitt), soll das dann immer in der ganzen Runde besprochen werden? Oder gibt es auch die Aufgabe „andere an ihre Aufgaben erinnern“?
Wie diese Strategien aussehen, hängt sehr vom Arbeitsalltag ab. Klassische agile Rahmen wurden für die Arbeit an Projekten entwickelt und basieren darauf, dass ein Team meist zusammen an einer großen Aufgabe arbeitet. Die Übertragung auf die Welt der Pflege ist nicht trivial.
Rollen und Aufgaben klarstellen
Damit ein Team arbeiten kann, muss jedes Mitglied sich auf alle anderen Mitglieder verlassen können. Genauer gesagt darauf, dass jeder andere die Aufgaben erledigt, die er hat.
Deswegen muss jedes Team klarstellen, wer welche Aufgaben hat. Das kann eine große Umstellung bedeuten, wenn die klassischen Aufgaben das Team in „Anführer“ und „Untergebene“ aufgeteilt hat. Die Aufgaben umfassten dann „Befehle geben“ (oder „Bitten stellen“ oder „Aufträge geben“) auf der einen Seite und „durchführen“ (oder „Folge leisten“) auf der anderen Seite. In einem agil arbeitenden Team muss jedes Mitglied sich selbst Befehle geben.
Was ist gute Arbeit? Was ist gute Pflege?
Aufgaben zu verteilen ist in gewisser Weise nur der erste (oder tatsächlich auhc nur ein zweiter) Schritt. Denn um zu wissen, wie eine Aufgabe erfüllt werden kann, muss klar sein, was „erledigt“ bedeutet (oder auch „done“ im SCRUM-Jargon).
Was macht gute Arbeit in diesem Team aus? Viele Pflegedienste werben mit besonders herzlicher oder menschlicher Pflege, aber was genau bedeutet das?
Um die Frage zu klären, kann man auch erst andersrum überlegen: wann bin ich definitiv nicht fertig? Was macht unzufrieden? Auch wenn diese Fragen im ersten Moment negativer sind, können sie sehr produktiv wirken.
Funktioniert agile Pflege in der Praxis?
Ein „extremes“ Beispiel von agiler Pflege ist das Buurtzorgmodell in den Niederlanden. Die völlige Freiheit dabei lässt sich im strikten deutschen System nicht umsetzen. Aber „agile Pflege“ ist kein völlig abwegiges Konzept. Erste Anbieter beschäftigen sich mit der Beratung von Pflegediensten, die die Arbeitsweise ausprobieren wollen.
Auch wenn die meisten „Anbieter“ von agilen Methoden darauf bestehen, dass sich agil nicht halb oder zu Teilen umsetzen lässt, sondern nur als ganzes funktioniert, können die Gedanken dahinter eine Anregung für jeden Pflegedienst liefern.
Was bedeutet für dich/für Sie „erledigt“ wenn es um den Besuch bei einem Patienten oder einer Patientin geht? Wenn alle Aufgaben abgehakt sind? Oder wenn klar ist, dass bis zum nächsten Besuch alles in Ordnung ist? Oder …?